Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
mir wieder «Parasiten der Hölle» vorgenommen, auch schon mindestens zum dritten Mal. Als Manfred kurz einpennt, spucke ich mir in die Handfläche, bis sich eine kleine Pfütze bildet, dann moddere ich den Speichel mit einem Finger um. Ganz schön eklig, bringt aber Spaß. Ich schnuppere an meinen Spuckehänden, sie riechen angenehm säuerlich. Das Badehäuschen ist ziemlich verrottet und abgeschabt, mit wurmstichigen Brettern und allem. Wenn man nicht aufpasst, läuft man Gefahr, sich einen Nagel in den Fuß zu treten. Egal, ich kann mir keine schöneren Stunden vorstellen als hier in unserem geheimen Versteck. Wieder ein Vorteil gegenüber zu Hause, dort kann man lange nach solchen Plätzen suchen. Gesprochen wird wie immer nicht viel, Manfred ist maulfaul wie nix Gutes. Als ich ihn auf seine behinderte kleine Schwester anspreche, sagt er nur kurz und knapp «Epileppi, aber happy». Hat keinen Zweck mit ihm. Wenn ich sagen würde, dass Epileptiker und Mongoloide nichts miteinander zu tun haben, würde er das sowieso wieder nicht verstehen, und dann gibt’s Streit. Ich beschließe, von jetzt an mehr oder weniger gar nichts mehr zu sagen und mich nur dann mit Manfred zu unterhalten, wenn er anfängt. Nachdem die Mücken uns zum Aufbruch gestochen haben, kommt uns ein Kadett B in der gleichen Farbe wie der von Onkel Horst entgegen. Mich durchläuft es heiß und kalt, und ich öffne wie ferngesteuert die Hand. Als ob mir aus jedem Kadettauto automatisch fünfzig Pfennig herausgereicht würden, wie Onkel Horst es immer getan hat! Doch Manfred holt mich zurück in die Realität.
«Da sind die Spastis ja wieder!»
Ich verstehe nur Bahnhof. Manfred klärt mich auf, dass es sich um das Auto von Herrn Ristoff handelt, der gerade seine Söhne Jens und Kai von den Reiterferien abholt. Ristoffs sind Rübenbauern, sagt Manfred in einem Tonfall, der so klingt, als wären Rübenbauern das Niederste überhaupt. Er erzählt, dass die Ristoffsöhne vierzehn Tage in Rothenburg ob der Tauber Reiten gelernt haben. Ich frage mich, was wohl ob der Tauber heißt. Manfred sagt, er und Wilfried junior hätten den Reitunterricht schon im letzten Jahr absolviert. Er schaut mich forschend an und fragt, ob ich auch reiten könnte. «Wahrscheinlich», sage ich, merke aber sofort, was für eine mongomäßig bescheuerte Antwort das war. Manfred guckt seltsam.
«Was jetzt, ja oder nein?»
«Ja.»
Ich ärgere mich über mich selber. Was ist denn so schlimm daran, dass ich noch nie auf einem Gaul gesessen habe? Ganz im Gegenteil ist es vielleicht unglaubwürdig, dass ich als Städter des Reitens mächtig sein soll. Außerdem kann ich Pferde nicht ab, und ich frage mich seit Ewigkeiten, warum alle Welt so ein Gedöns um sie macht. Schweine, Hunde und selbst Ratten sind viel intelligenter als Pferde, hat Mutter mal gesagt, und ausnahmsweise gebe ich ihr recht. Ich hoffe jedenfalls, dass die Ristoffsöhne jetzt nicht alles durcheinanderwirbeln. Ich darf gar nicht darüber nachdenken, was passiert, wenn sie sich gegen mich zusammentun. Dann hätte ich absolut keine Chance. Na ja, mal abwarten.
Jens Ristoff ist zehn und sein kleiner Bruder Kai acht, sieht aber irgendwie zurückgeblieben aus, wie sechs oder fünf. Er trägt wie Wolfgang Thorwardt eine Brille, die ihn aber nicht klüger aussehen lässt, sondern eher im Gegenteil. Er scheint einen Hau wegzuhaben; was genau mit ihm los ist, werde ich schon rausbekommen. Jetzt gilt erst mal weiterhin die goldene Devise, sich nicht durch dumme Fragerei unbeliebt zu machen. Am nächsten Tag radeln wir als Dreiergespann zur Tonkuhle, Jens, Manfred und ich. Kai muss zu Hause bleiben. Kaum haben wir uns gesetzt, tut sich Jens ungefragt an Oma Emmis Lebensmitteln gütlich. Er vertilgt ein Stück Kuchen nach dem anderen und danach noch ein Wiener Würstchen mit ungefähr einer Dreivierteltube Senf, und das in einer Art, dass ich ihm das Essen am liebsten aus der Hand schlagen möchte. Ich koche vor Wut darüber, wie sich der Bauernlümmel in wenigen Augenblicken reinstopft, was sich Oma Emmi vom Munde abgespart hat. Ob ich wohl mit ihm fertigwerden würde? Ich bin zwar größer, aber er ist stämmiger. Und überhaupt ist die Landbevölkerung zweikampferfahrener als wir Städter, man sollte also in dieser Hinsicht nicht allzu viel riskieren. Ich werde mich in Zukunft schon vorher bei Oma Emmi gründlich satt essen und satt trinken und zur Tonkuhle nichts mitnehmen, außer vielleicht einer Flasche Brause. Da
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