Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)

Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)

Titel: Junge rettet Freund aus Teich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
Vom Netzwerk:
dann: «Los, ab jetzt.»
    Wir gehen die Brücke runter Richtung Tonkuhle. Kurz vorher biegt er links ab auf einen Trampelpfad und steuert zielsicher ein Fleckchen Erde ganz in der Nähe unseres Badeparadieses an. Erst müssen wir noch durch ein Stoppelfeld, und meine Beine sind bald vom scharfen Gras zerstochen. Dann plötzlich bleibt Manfred stehen, packt das Gewehr aus, und wir legen uns auf die Lauer. Er drückt mir die Waffe in die Hand.
    «Du hast den ersten Schuss.»
    Ich kann schlecht zugeben, dass ich noch nie geschossen habe. Zum Glück weiß ich, wie man ein Luftgewehr spannt und die Munition, Eierbecher heißen die Dinger, einlegt. Die schlimmste Blamage bleibt mir also erspart.
    «Worauf soll ich denn schießen?»
    «Irgendwas. Egal. Vogel.»
    Die Amseln, die hier rumhocken, verfehle ich sämtlich, eine erwische ich mit Streifschuss, scheint sie aber nicht weiter zu stören. Sie bedenkt mich mit einem spöttischen Blick und fliegt davon. Sie singt und kackt gleichzeitig, als ob sie mich veräppeln will. Vorne stößt sie lange Triller aus, und hinten schießen kleine, weiße Spritzer hervor.
    «Was ist denn mit dir los? Zielst du absichtlich daneben?»
    «Ich bin nicht mehr richtig im Training.»
    «Mann, du Eddel, Schießen ist wie Radfahren, das verlernt man nicht. Wann hast du denn überhaupt das letzte Mal geschossen?»
    «Paar Wochen.»
    Wir warten und warten und warten. Manfred steckt sich eine Zigarette nach der anderen an. Gesprochen wird nicht. Dann endlich setzt sich ein Rotkehlchen nur wenige Meter entfernt auf einen Ast und beginnt zu tirilieren. Manfred drückt die Kippe aus und stößt mich an.
    «Los jetzt.»
    «Aber das ist doch ein Singvogel!»
    «Ach was. Außerdem ist das egal, alle Vögel sind Schädlinge.»
    Ich lege an und ziele diesmal wirklich daneben, damit der Vogel durch den Schuss verscheucht wird, aber sofort fällt er mit einem Piepen ins Moos.
    «Sauber. Voll getroffen.»
    Doch der Vogel ist nicht tot, sondern flattert hilflos mit den Flügeln, verdreht den Kopf und versucht davonzuhüpfen, was natürlich nicht mehr geht. Manfred ist ganz aufgeregt.
    «Los, hin da, dem musst du den Gnadenschuss versetzen.»
    Am liebsten würde ich ihn zum Tierarzt bringen, aber auf der anderen Seite ist das totaler Quatsch, weil er bis dahin wahrscheinlich längst tot ist, und außerdem ist fraglich, ob ein Arzt einem so kleinen Tier überhaupt helfen kann. Mit Manfred würde ich es mir dann wohl auch endgültig verscherzen. Er wiederholt seinen Befehl:
    «Los jetzt, sonst ist das Tierquälerei!»
    Ich spanne also das Gewehr und halte dem Vogel den Lauf direkt an den Kopf. Mir schießen die Tränen in die Augen. Der Vogel atmet ganz schnell, und mit jedem Ein- und Ausatmen kommt ein leises Pfeifen aus seinen Lungen. Ich drücke ab. Er rührt sich nicht mehr, und an seinem Köpfchen bildet sich schnell ein roter Fleck. Mein Magen wird hart wie Eis. Ist das alles schrecklich.
    «Nicht schlecht. Komm jetzt, wir gehen nach Hause.»
    Ganz geheuer scheint Manfred die Sache aber auch nicht zu sein, das kann man ihm anmerken. Mir ist übel. Was habe ich da nur getan? Eine größere Schweinerei lässt sich ja wohl kaum vorstellen. Ich komme mir vor wie ein Verbrecher, und das Einzige, was mich tröstet, ist, dass ich es allein niemals gemacht hätte. Mit hängenden Köpfen trotten wir nach Hause.
    «Bis morgen dann.»
    «Ja, bis morgen.»

    Am nächsten Tag geht es auf Verdacht wieder zur Tonkuhle. Kempermanns sind abgereist, Glück gehabt, jetzt haben wir dieses Plätzchen wieder für uns allein. Oma Emmi erzähle ich, wir würden heute ins Freibad nach Tostedt fahren. Ohne weiter nachzufragen, macht sie uns einen Picknickkorb fertig. Neben Pflaumenkuchen finden sich diesmal auch hartgekochte Eier, belegte Brote, Knackwürste und eine Tube Senf im Gepäck. Über den gestrigen Vorfall sprechen Manfred und ich nicht, aber ich habe in der Nacht lange wach gelegen und nachgedacht. Wenn meine Mutter oder Oma Emmi auch nur annähernd wüssten, was wir hier so treiben, dürfte ich niemals mehr auf den Holzapfelhof. Ich bin mir sicher, dass Manfred seelisch verroht ist. Hoffentlich kommt er nicht noch auf mehr solcher Ideen wie Vögel erschießen oder Autos zu Klump werfen. Andererseits sind das Erfahrungen, die ich zu Hause nie machen würde.
    Heute liegen wir nur faul am Strand und jumpen ab und an ins kühle Nass. Die Sonne dringt bis in die Knochen in mich ein, herrlich ist das schon wieder. Ich habe

Weitere Kostenlose Bücher