Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
auch noch halbwegs freundlich. Aber ab vier plus geht’s dann los. Er legt die Stirn in Falten, und seine Miene verdüstert sich. Die absolute Schallgrenze liegt bei vier minus. Alle, die danach kommen, haben absolut nichts mehr zu lachen. Schüler, die bei vier minus noch nicht aufgerufen wurden, können nur noch beten und zittern, dass sie wenigstens eine Fünf haben und keine Sechs.
«Die zweite und letzte Vier minus hat Peter. Knapp, aber ganz knapp, Freundchen!»
Eisiges Schweigen. Er schlurft erzlangsam durch die Reihen, bleibt mal bei diesem, mal bei jenem Verbliebenen stehen.
«Der Notendurchschnitt liegt bei 3,7, das ist wirklich sehr schlecht. Vier Fünfen und zwei Sechsen.»
Er setzt seinen Gang schweigend fort und teilt die erste Fünferarbeit aus, ohne ein Wort zu sagen oder den Schüler anzugucken. Die zweite Fünf geht an Sybille. Dann Stefan. Jetzt wird es ernst. Bitte, bitte, lieber Gott, lass mich die letzte Fünf haben! Doch er legt Gunters Arbeit auf den Tisch. Das war’s, Sechs. Die erste geht an Sven. Alles klar, dann habe ich die schlechteste Arbeit von allen, eigentlich eine Sechs minus. Und dann, das hat es noch nie bei einem Sechser gegeben, richtet Herr Dierks das Wort an mich.
«Wie du die Versetzung schaffen willst, ist mir rätselhaft.»
Mir auch.
Während wir uns früher meist gleich nach dem Essen zum Spielen getroffen haben, kommen jetzt immer weniger Kinder raus. Uwe und Axel haben in der Schule ebenfalls ihre liebe Not und brauchen mit den Hausaufgaben manchmal bis in den späten Nachmittag. Norbert ist bei Viktoria Harburg in der Leistungsklasse angenommen worden und trainiert seitdem wie verrückt. Er bekommt vom Verein eine Monatskarte und Fußballklamotten gestellt und ist allein schon deshalb stolz wie Bolle und hält sich für was Besonderes. Sein Trainer hat prophezeit, ihm stünde eine Karriere in der Zweiten Bundesliga bevor, wenn er weiter fleißig an seiner Technik feilt. Vielleicht sogar in der Ersten.
Wie oft habe ich mir schon vorgestellt, ich würde im WM-Endspiel den entscheidenden Treffer landen! Oder, weil ich Torwart bin, gleich zwei Elfmeter halten und meiner Mannschaft damit zum Sieg verhelfen. Spitzname: Elfmetertöter. Wie Rudi Kargus vom HSV. Daher stammt auch der Begriff Elfmetertöter, weil er über Reflexe verfügt wie kaum ein anderer Mensch. Einmal haben sie extra ein Experiment mit ihm gemacht: Im «Aktuellen Sportstudio» haben sie ihn verdrahtet, um seine Reflexe zu messen. Seltsamerweise waren die dann nur Durchschnitt.
Sabine hat von ihren Eltern ein Pferd geschenkt bekommen und verbringt fast jeden Tag draußen im Stall in Meckelfeld. Eigentlich kommt nur noch Heike regelmäßig raus. Sie ist gut in der Schule und mit den Hausaufgaben ruck, zuck fertig. Ich fühle mich immer sehr wohl in ihrer Nähe, ich habe ein regelrechtes Prickeln im Bauch. Mittlerweile glaube ich auch, dass ich in sie verliebt bin, und das schon seit Jahren!
Martin hatte Riesenglück, Herrn Meier in Mathe zu bekommen Spitzname Panzermeier. Er war im Zweiten Weltkrieg unter General Rommel in der Wüste, und wenn man geschickt genug fragt, erzählt er, statt den Stoff zu pauken, lieber Döntjes aus der damaligen Zeit. Die Geschichte, wo sich die Panzer in der Mittagssonne so erhitzt haben, dass man Spiegeleier darauf braten konnte, hat er schon unzählige Male zum Besten gegeben. Das erinnert mich dann immer an früher, als ich sonntags zu Opa ins Bett gekrochen bin. Doch ist das jetzt schon so lange her, dass es kaum noch wahr ist.
Obwohl Opa immer tüddeliger wird, schmeißt er sich jeden Morgen in seinen Anzug, und dann geht es ab in den Keller. Einmal bin ich auf leisen Sohlen hinuntergeschlichen, um zu gucken, was er da eigentlich den ganzen Tag treibt. Doch er macht gar nichts mehr, sondern sitzt vor seiner riesigen Werkbank, hinter der er fast verschwindet, und starrt ins Leere oder fummelt gedankenverloren an seinem Anzug herum. Oma ist die Entwicklung natürlich auch nicht verborgen geblieben, und sie macht sich ebenfalls große Sorgen. Was, wenn es noch schlimmer wird?
Wie nahe Glück und Unglück doch beieinanderliegen. Es war nur ein dummer Zufall, dass ich Herrn Dierks bekommen habe statt Herrn Meier. Sonst bin ich in der Schule schlechter Durchschnitt, ich halte mich gerade eben so. Sprachen liegen mir auch nicht besonders, Herr Lächel meint, ich bin nicht fleißig genug, aber das stimmt nicht, finde ich. So nett, wie er anfangs schien, ist Herr
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