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Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)

Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)

Titel: Junge rettet Freund aus Teich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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Niemand traut sich, eine Schwäche zu zeigen, alle benehmen sich künstlich erwachsen und tun viel älter, als sie sind. Dabei liegen zwischen Grundschule und Gymnasium gerade mal eben sechs Wochen! Ich werde bei diesem Unsinn jedenfalls nicht mitmachen. Einigen Strebern merkt man an, dass sie gar nicht abwarten können, zu zeigen, was in ihnen steckt, aber der Mehrheit geht es wie mir, schätze ich. Wie es wohl gerade in Todtglüsingen ist? Es herrscht immer noch herrlichstes Sommerwetter, man könnte so schön zur Tonkuhle gehen.
    Um kurz vor acht kommt ein großer, hagerer Mann angeschlurft. Er sieht mit seinem Riesenkopf und der King-Kong-Schuhgröße so ähnlich aus wie Herr Siegbert, der Klavierstimmer. Unser neuer Klassenlehrer, schätze ich. Als er die Tür aufschließt, setzt ein Riesengedrängel um die besten Plätze ein, weil die Jungs natürlich alle hinten sitzen wollen. Ich auch, aber ich stolpere über meine Schnürsenkel und verliere wertvolle Zeit. So verschlägt es mich in Reihe eins. Ausgerechnet Reihe eins! Unser neuer Klassenlehrer hat ein Dauergrinsen aufgesetzt und nimmt seine neuen Schutzbefohlenen erst mal ganz genau unter die Lupe. Es dauert ewig, bis Ruhe einkehrt. Er lässt die Zügel schleifen, weil heute der erste Tag ist, schätze ich. Je länger er guckt, desto klarer wird, dass er in Wahrheit gar nicht grinst, sondern dass das sein stinknormaler Gesichtsausdruck ist. Andere Leute sehen aus, als würden sie von einem Magengeschwür geplagt, und der guckt ständig aus der Wäsche, als hätte gerade jemand einen mordsmäßig guten Witz gerissen. Als endlich auch der Letzte verstummt ist, steht er auf und stellt sich vor.
    Und jetzt kommt’s: Er heißt Herr LÄCHEL! Das gibt’s doch nicht. Das ist schon so bescheuert, das kann man sich gar nicht ausdenken. Herr Lächel erklärt etwas zur Geschichte des Gymnasiums und dass im nächsten Jahr der Kreuzbau renoviert werden soll und der Direx Herr Trinks heißt. Auch schon wieder so ein seltsamer Name. Und dass er, also Herr Lächel, uns in insgesamt drei Fächern unterrichtet, nämlich Erdkunde, Deutsch und Englisch. Sein Kehlkopf bewegt sich beim Sprechen rhythmisch auf und ab. Ich frage mich, ob das schon ein Kropf ist oder ob er dafür noch größer sein müsste. Danach soll sich jeder Einzelne von uns kurz vorstellen, Name, Alter, Hobbys. Ich gebe Musik und Fußball an. So vergeht die erste Stunde mit Geplauder. In der kleinen Pause bleiben alle sitzen, danach folgt die erste richtige Unterrichtsstunde, Erdkunde. Man muss zwar höllisch aufpassen, aber es ist auf jeden Fall verständlich und keine böhmischen Dörfer.

    In der großen Pause geht’s auf den Schulhof. Ich weiß nicht, wem ich mich anschließen soll, und stehe herum wie bestellt und nicht abgeholt. Die Pause ist gleich zur Hälfte vorbei, und mir sinkt das Herz in die Hose. Ich bin der Einzigste weit und breit, der alleine rumsteht. Als meine Stimmung auf dem Tiefpunkt angelangt ist, tippt mir jemand von hinten auf die Schulter: «Dich erkennt man doch auf hundert Meter schon am Gang. Du hast echt einen Gang wie ein Mülleimer.» Martin! Ich mache drei Kreuze. Er ist in meine Parallelklasse gekommen, die 5c. Was für ein Glück! Weil ich ihn während der gesamten großen Ferien nicht gesehen habe, hatte ich glatt vergessen, dass er ja auch aufs Gymnasium kommt. So ist es häufig, wenn man schon alles verloren glaubt, ist die Rettung ganz nah.
    Martin berichtet von seinen Ferienerlebnissen: Schipanskis waren zum ersten und wohl auch letzten Mal in Spanien, denn dort herrschte Tag und Nacht eine solche Gluthitze, dass man es kaum aushalten konnte. Temperaturen bis 50 Grad im Schatten, auch nachts keine Abkühlung und, als ob das nicht schon gereicht hätte, eine Quallenplage, wie sie nur alle 70 Jahre einmal vorkommt. Man konnte überhaupt kein einziges Mal ins Wasser, weil alles mit Quallen verseucht war, die auf den merkwürdigen Namen «Portugiesische Galeere» hören. Bei dieser seltenen Gattung kann schon eine kleine Berührung tödlich ausgehen, sie sind hundertmal giftiger als Feuerquallen, wie man sie aus hiesigen Gewässern kennt. Martins Mutter hatte wegen der widrigen Umstände mehrere Schwächeanfälle und Herr Schipanski seine liebe Mühe, einigermaßen beruhigend auf die Familie einzuwirken. Nachdem Spanien überstanden war, ist Martin zu seinen Großeltern, die seit Jahr und Tag in Essen im Ruhrpott leben. Vom Regen in die Traufe. Denn die Großeltern

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