Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
Glaubst du, ich hol hier das Klopapier raus? Was für ’ne blöde Frage.»
Lustige Vorstellung, wie wir mit fünfzig Rollen Toilettenpapier nachts durch Todtglüsingen tapern. Wir packen so viel Alkohol und Zigaretten in Plastiktüten, wie wir tragen können, und dann nehmen wir auch noch ein paar Tafeln Schokolade mit, weil wir Hunger haben. Manfred hat fast den ganzen Zigarettenständer abgeräumt. Die Tüten sind so schwer, dass wir auf dem Nachhauseweg alle naslang absetzen müssen. Schließlich verstauen wir das Zeug in Onkel Horsts Garage. Manfred hat immer noch nicht genug.
«Darauf einen Dujardin.»
«Hä?»
«Komm, darauf trinken wir noch einen.»
Er lässt eine Flasche Henkell-Sekt knallen, der Pfropfen fliegt als Querschläger durch die Garage. Tölpel. Wenn Dachsi nun anschlägt? Manfred nestelt ungeschickt an einer Schachtel Juno ohne Filter und bietet mir eine an. Hab ich noch nie geraucht. Schmeckt aber gut, mit Filter kann ich sowieso nicht mehr ab. Wenigstens sind wir in Sicherheit, versuche ich mich zu beruhigen. Wir nehmen abwechselnd jeder einen Schluck, Manfred einen großen, ich einen kleinen, wobei ich so tu, als würde ich auch einen großen nehmen.
«Nicht die ganze Flasche vollsabbern, Meister!»
«Wieso, ich sabber überhaupt nicht.»
«’türlich. Du saugst voll dran. Einfach reinlaufen, gib mal her hier.»
Er setzt den Flaschenhals an die Unterlippe und lässt bei geöffnetem Mund reingluckern.
«So macht man das.»
«Jaja.»
«Jaja heißt leck mich am Arsch.»
«Ich hab’s ja geschnallt.»
«Ich muss jetzt auch los. Morgen Mittag komm ich vorbei, und wehe, da fehlt was. Ich weiß genau, wie viel das ist.»
«Bist du bescheuert? Also bis morgen.»
Ein Glück ist er weg. Das geht nicht mehr lange gut mit uns, ich spüre es. Wie spät es wohl ist? Keine Ahnung. Egal, endlich Musik hören! Bei «Highway Star» versteht man von den Strophen kein Wort, sondern nur den Refrain: «I am a Highway Star». Dafür versteht man «Lazy» umso besser. «You’re lazy, you stay in bed, you’re lazy, you stay in bed, you don’t want no money and you want no bread.» Genau.
Die Waldhütte
«Mathias.»
Erschreck. Was will Oma Emmi denn schon wieder?! Ausgerechnet jetzt, wo ich gerade damit beschäftigt bin, das Diebesgut zu sortieren. Obwohl sie die Garage so gut wie nie betritt, heißt es Safety first.
«Was ist denn?»
«Deine Mutti ist am Apparat. Sie möchte dich sprechen.»
Hä? Die ruft doch sonst nie an. Bestimmt irgendwas Schlimmes, es kann nur was Schlimmes sein. Alles krampft sich schon wieder in mir zusammen. Ich laufe zum Telefon. Ohne Umschweife kommt sie zur Sache:
«Mathias, halt dich fest.»
«Was ist?»
«Wir ziehen um!»
«Was? Wohin? Wieso das denn?»
«Ich habe eine Wohnung für uns gefunden, gleich um die Ecke, in Hanhoopsfeld im mittleren Hochhaus.»
«Und warum?»
«Warum, warum, stell doch nicht immer so dusselige Fragen. Wir können doch nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag bei Oma und Opa wohnen. Die wollen schließlich auch mal ihren Ruhestand genießen.»
Das wüsste ich aber! So ein Quatsch. Dann darf sich Oma nur noch den ganzen Tag mit Opa und Frau Klippstein rumplagen und sich von Frau Marek tyrannisieren lassen. Mutter spürt, dass ich überhaupt nicht begeistert bin.
«Es war doch ausgemachte Sache, dass wir als kleine Familie zusammenwohnen wollen», sagt sie beleidigt.
Ausgemachte Sache ist was anderes. Dann hätte sie ihren «Bundesgenossen» ja vorher mal informieren können. Und kleine Familie? Wie das schon wieder klingt. Bescheuert.
«Du hättest ja wenigstens mal fragen können.»
«Sag mal, Mathias, was ist denn los mit dir. Freust du dich denn gar nicht?»
«Doch. In welchen Stock denn?»
«Im zwölften. Was hätte ich dich denn großartig fragen sollen. Das hat sich kurzfristig ergeben, und da musste ich zugreifen.»
«Wann geht’s denn los?»
«Der Umzug ist heute in einer Woche.»
«WAAAS? Ich dachte, nächstes Jahr.»
«So, jetzt reicht’s aber. Sonntag spätestens bist du bitte wieder zu Hause, besser wäre Samstag. Du musst schließlich deinen Kram noch packen, oder glaubst du, ich mache das? Ein bisschen muss mein Herr Sohn schon auch mithelfen.»
«Ja, ist gut. Bis Sonntag dann. Tschüs, Mutti.»
«Auf Wiederhören, Mathias.»
Oje! Und dann? Zwölfter Stock. Das ist schwindelerregend hoch. Allein beim Gedanken daran zieht’s mir in den Beinen. Mit Mutter auf engstem Raum, dann gibt es ja überhaupt keinen
Weitere Kostenlose Bücher