Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
Gutes. Manfred plant unverdrossen weiter:
«Wir machen Lagerfeuer und kochen uns Nudeln. Und Kassettenrecorder nehmen wir auch mit. Ich hab schon ein paar Mischkassetten fertig.»
«Da muss ich erst mal Oma Emmi fragen.»
Ich werde ihm einfach sagen, dass sie es verbietet.
«Die können wir ja jetzt gleich fragen.»
«Nee, das geht jetzt nicht, die ist am Abwaschen.»
Bescheuerte Ausrede. Manfred riecht Lunte mit seiner Bauernschläue. In der Küche sieht es furchtbar aus, der Schmutz hat sich regelrecht eingefräst, und das Geschirr räumt Oma Emmi auch nicht mehr richtig weg. Ihr wachsen die Dinge langsam über den Kopf. Sie schaut aus der Küche heraus wie ein Insekt, das nach einem heißen Sommer in den letzten Zügen liegt. Ihre Augen haben die Farbe verloren und sich in flache graue Kiesel verwandelt. Und hier bereitet sie nun jeden Tag unser Essen zu. Furchtbar. Selbst vor Manfred ist mir das peinlich, obwohl der von zu Hause sicher einiges gewohnt ist.
«Frau Beuger, kann Mathias am Samstag mit in der Waldhütte übernachten?»
Oma Emmi guckt erschöpft aus der Wäsche und nickt.
«Aber nicht so spät ins Bett gehen. Wie macht ihr das denn mit dem Schlafen?»
«Luftmatratzen.»
«Na denn mal to.»
So eine Scheiße. Ich hab ein ganz schlechtes Gefühl.
In den kommenden Tagen sehe ich Manfred kaum. Angeblich muss er seinem Vater bei der Ernte helfen. Warum fragt er mich nicht, ob ich mithelfen kann, ich habe das doch immer gerne gemacht und bin zudem eine billige Arbeitskraft. Außerdem ist noch gar keine Erntezeit, das stimmt doch alles vorn und hinten nicht. Wenn ich diesen Maik vorher wenigstens einmal kennenlernen könnte! Ich habe jetzt schon Angst vor ihm. Wenn er so ein Kaliber ist wie Manfred, dann gute Nacht. Ich befürchte, dass sie vorhaben, mich zu ihrem Sklaven zu machen. Ich gehe viel mit Dachsi spazieren und überlege, wie ich zur Not aus der Waldhütte entkommen könnte. Freitagnachmittag kommt überraschend Manfred vorbei, aber nur, um an die Verabredung zu erinnern:
«Morgen Nachmittag um vier bei mir.»
«Um vier schon? Ich dachte, erst abends.»
«Wir müssen noch alles vorbereiten. Um vier bist du da.»
Und haut wieder ab. Was gibt’s da denn vorzubereiten? Der spinnt doch. Bestimmt ist das schon wieder irgendein Trick.
Ich bin so aufgeregt, dass Samstag die Nacht für mich bereits um sechs Uhr vorbei ist. Tagesanbruch – Stunde der Hinrichtungen, denke ich noch.
Maik sieht noch fieser aus, als ich ihn mir vorgestellt habe. Ein rotfleckiger Fettklops mit Schweinsohren, die Ränder haben, als hätte sich mal jemand darin verbissen. Er trägt eine Hochwasser-Manchesterhose, mit einem langen Riss am Arsch, weil er so fett ist. Eine Witzfigur, aber gefährlich. Zur Begrüßung tut er so, als ob ich Luft wäre, er gibt mir noch nicht mal die Hand. Das kann ja heiter werden. Manfred hat einen Bollerwagen organisiert, auf dem unser Proviant und die Luftmatratzen Platz finden. Außerdem hat er zwei Töpfe und eine Pfanne eingepackt.
«Wofür brauchen wir denn das ganze Kochzeug?»
«Wegen der Nudeln, du Eumel.»
Maik sagt den ganzen Weg über keinen Ton. Auf der Eisenbahnbrücke eiert uns ein nasser Hund entgegen. Wo kommt der denn her? Nie gesehen. Ich trotte mit hängenden Armen wie ein Roboter hinter ihnen her, mit jedem Schritt verstärken sich meine düsteren Vorahnungen. Warum habe ich nicht einfach eine Krankheit vorgeschoben? Dann hätte ich mich den Rest der Zeit in Oma Emmis Bett verschanzt, und zum Bahnhof wäre ich den Umweg über Todtglüsingen gegangen, damit ich keine Gefahr laufe, dass Manfred mir auflauert. Stattdessen heißt es jetzt beten.
Auspacken dauert ewig. Stabtaschenlampen, Bücher, Taschenmesser, Hängematte und anderer unnötiger Kram.
«Ich hab tierisch Hunger, lass mal was kochen.»
Maiks allererster Satz. Er hat eine hohe, sägende Schwuchtelstimme. Kein Wunder, dass er lieber das Maul hält bei dem Organ. Als Manfred fragt, wer kocht, melde ich mich. Wenn ich fürs leibliche Wohl sorge, so mein Kalkül, gerate ich erst mal aus der Schusslinie. Weil das Holz so nass ist, dauert es ewig, bis das Feuer brennt. Manfred hilft mit Unmengen Spiritus nach, bald stinkt die ganze Hütte danach. Dann schichtet er zwei Stapel Mauersteine auf und tut den Topf darauf. Während wir warten, dass das Wasser heiß wird, rauchen wir wie die Weltmeister. Dazu schenkt Manfred den ersten Scharlachberg-Cola aus. Wie wollen die denn durchhalten, wenn sie jetzt
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