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Junger, Sebastian

Junger, Sebastian

Titel: Junger, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: War
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lässt. Das
Ergebnis wird den Commanders übermittelt und über das Funknetz der Company
wiederholt. Das kann innerhalb von Minuten oder gar Sekunden geschehen.
    Piosa war
in Aliabad gewesen, um mit den Ältesten über ein Wasserrohrprojekt zu sprechen,
das seit der Zeit der 10 th Mountain Division im Tal unvollendet
geblieben war und sicher auch in diesem Jahr nicht zum Abschluss gebracht
wird, was niemand einzugestehen wagt. Piosa brach das Treffen ab, als Prophet
sich meldete - die Ältesten wussten genau, was bevorstand, und man merkte, dass
sie es kaum abwarten konnten wegzukommen. Die Männer machten sich auf, Squad
um Squad den Weg hinauf zu »jumpen«. Das
bedeutet: Eine Gruppe läuft vor, während die andere ihr Deckung gibt, und dann
gibt die erste Gruppe Deckung, während die zweite losrennt.
    Auf diese
Weise ist gewährleistet, dass immer jemand in der Position ist, das Feuer zu
erwidern. Und so kann sichergestellt werden, dass nicht die gesamte Patrouille
auf einen Schlag verloren geht.
    Ich habe
eine Videokamera bei mir und lasse sie unentwegt laufen, damit ich nicht daran
denken muss, sie einzuschalten, wenn ein Feuergefecht beginnt. Die Kamera
zeichnet alles auf, was meinem Gedächtnis entgehen könnte. Wir befinden uns
hinter einer Felsmauer, die zur Dorfschule gehört, als wir angegriffen werden.
»Kontakt«, sagt Piosa, und der Squad Leader Simon sagt: »Ich komm nach oben«,
aber dazu bekommt er nicht die Chance. Wir liegen unter direktem Beschuss, und
es bleibt nichts anderes übrig, als sich fest gegen die Wand zu pressen und die
Zähne zusammenzubeißen. Das Video ruckelt und wackelt, und Soldaten springen
hoch und leeren ihre Magazine über den Rand der Mauer. Jemand schreit
Koordinaten ins Funkgerät, und ein Mann neben mir ruft nach Buno. Buno
antwortet nicht.
    Jeder Mann
der Patrouille ist auf den Beinen und schießt. Später kann ich auf dem Video
sehen, wie die herbeifliegenden Geschosse funkensprühend oben von der Mauer
abprallen. Ich versuche aufzustehen und zu filmen, aber psychologisch ist es so
gut wie unmöglich: Mein Kopf fühlt sich zerbrechlich an wie Eierschale. Mir
geht es nur noch darum, ihn zu schützen. Es ist leichter, mich in die Höhe zu
recken, wenn ich neben jemandem stehe, besonders wenn er auch noch schießt,
und daher rücke ich an Kims Seite. Jedes Mal wenn er hochschnellt, um zu
schießen, recke ich mich mit ihm. Wenn er sich wieder duckt, ducke ich mich
auch. Unter uns fließt der Korengal, und auf der anderen Seite des Tals ragt
die dunkle Wand des Abas Ghar auf. Dieser Berg gehört dem Feind.
Leuchtspurgeschosse ziehen ihre weiten Bögen aus amerikanischen Stellungen
hinten und vorne im Tal. Sie vereinen sich über feindlichen Stellungen auf der
Kammhöhe, und Mörser blitzen stumm auf den Gipfeln. Erst viel später galoppiert
ihr dumpfes Donnern an uns vorbei durchs Tal, das die Dämmerung jetzt in aller
Eile verdunkelt. O'Byrne hat mit seinem GunTeam über uns Stellung bezogen, und
es ist beruhigend, wie uns die Leuchtspurgeschosse aus ihrem M240 über die
Köpfe pfeifen. Jedes fünfte Geschoss ist so ein Tracer, und es sind so viele
davon in der Luft, dass sie wie unaufhaltsame Ströme flackernd über das Tal
wabern, um schließlich im dunklen Rachen der Berge zu verschwinden.
    Es ist
beinahe schon Nacht, als wir einer nach dem anderen im Eilmarsch den Schutz der
Mauer verlassen. Das Maschinengewehr über uns feuert pausenlos weiter. Die
Männer ächzen unter dem Gewicht ihrer Schutzpanzer und der Munition. Außerdem
schwitzen sie in der stickigen Sommerhitze wie in einer Sauna. Die SAW-Schützen
tragen sechzig Kilo, und schon nach der kürzesten Strecke stehen sie
vornübergebeugt und ringen keuchend nach Luft. Ein Mann ruft und stolpert, und
ich denke, dass er getroffen wurde - alle denken das -, aber er hat sich in der
Dunkelheit nur den Knöchel verdreht. Er humpelt weiter. Das letzte Wegstück
ist ein absurd steiler Anstieg durch das Dorf Babiyal, den die Männer nach dem
Fitnessgerät »The Stairmaster« nennen. Die Einheimischen bauen ihre Dörfer an
die steilsten Berghänge, damit alles sonstige Land für den Ackerbau verwendet
werden kann. Aus den Felsen hat man Pfade gehauen, die wie Leitern sind,
Vordertüren öffnen sich auf die Dächer der Nachbarn, von manchen Stellen könnte
man buchstäblich auf den tiefsten Grund des Dorfes stürzen.
    Die Männer
kraxeln den Stairmaster hinauf und schleppen sich im Gänsemarsch in die
Firebase Phoenix,

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