Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Junger, Sebastian

Junger, Sebastian

Titel: Junger, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: War
Vom Netzwerk:
rauchten, selbst wenn der KOP unter Beschuss lag. Das Feuer
musste schon recht heftig werden, bevor jemand nach drinnen verschwand.
    Eines
Nachmittags saß ich dort und arbeitete an meinen Notizen, als ein Soldat mit Namen
Anderson sich zu mir gesellte. Er war ein großer blonder Bursche, der von sich
gesagt hatte, er sei zum Militär gegangen, nachdem er einige Male mit dem
Gesetz in Konflikt geraten war. (Eine Vielzahl von Männern war deswegen hier
gelandet.) Andersons Mutter war Jazzsängerin, und bereits als Heranwachsender
hatte er in Erwachsenenbands gespielt. In der vorangegangenen Woche war es zu
zahlreichen Kämpfen gekommen, und die Männer standen mächtig unter Stress:
Pemble träumte immer wieder, dass jemand eine Handgranate in die Hütte gerollt
hatte, und als Steiner Heimaturlaub machte, instruierte er seine Mutter, ihn am
Fußknöchel zu berühren und seinen Familiennamen zu nennen, wenn sie ihn weckte.
So wurde er nämlich tagtäglich zum Wachdienst geweckt, und alles andere mochte
womöglich bedeuten, dass sie überrannt worden waren.
    Tatsächlich
wurden die Männer vom Seelenklempner des Battalions äußerst intensiv
psychiatrisch betreut und genossen in Abständen »Urlaubstage« im Camp Blessing
oder in der Firebase Michigan. Aber der Kampfeinsatz forderte seinen Tribut.
Es wäre unrealistisch, etwas anderes anzunehmen. Anderson saß auf einer
Munitionskiste und grinste mich an. Es war das typische Grinsen, das so oft
einem Geständnis vorausgeht. »Ich hab erst vier Monate hinter mir und fass es
einfach nicht, wie sehr ich schon am Arsch bin«, sagte er. »Ich war beim Betreuer
und der hat mich gefragt, ob ich Zigaretten rauche. Ich hab das verneint, und
er sagt: >Tja, Sie sollten sich vielleicht überlegen, damit anzufangen.<«
    Er zündete
sich eine Zigarette an und inhalierte.
    »Ich hasse
die Scheißdinger«, sagte er.
     
    Battle
Company war eine von sechs Companies in »The Rock«, einem 800-Mann-Battalion,
das seinen Namen bekommen hatte, nachdem die Fallschirmjäger 1942 auf Corregidor
Island gelandet waren. The Rock war Teil der 173 rd Airborne Brigade,
einer für ihren verbissenen Kampfgeist berühmt-berüchtigten Einheit, die seit
dem Ersten Weltkrieg in den kriegerischen Auseinandersetzungen der Nation die
Hauptlast schulterte. Die Männer der 173 rd leisteten den einzigen
Kampfabsprung des Vietnamkriegs, kämpften sich durchs Eiserne Dreieck und die
Tunnel von Cu Chi, bis sie schließlich während der Schlacht bei Dak To Hill 875
angriffen. Sie verloren innerhalb von drei Wochen ein Fünftel ihrer
Kampfstärke. Zu Ende des Krieges hatte die 173 rd die höchste
Verlustrate aller Brigaden der U.S. Army zu beklagen.
    Nach
Vietnam wurde die Brigade deaktiviert und dann im Jahr 2000 wieder aktiviert.
Die Fallschirmjäger sprangen über Baschur, Irak, ab, um eine Nordfront zu
eröffnen und irakische Soldaten von der südlichen Verteidigungslinie Bagdads
abzuziehen. Zwei Jahre später wurde The Rock in die Provinz Zabul nach
Zentralafghanistan geschickt und in der ringsherum offenen Mondlandschaft um
den erst kurz zuvor befestigten Highway 1 in begrenzte, wenn auch äußerst
heftige Kämpfe verwickelt. Der Aufstand der Taliban gewann gerade in jenem
Jahr an Stärke, und die Männer von The Rock mussten zu ihrer Überraschung
feststellen, dass sie in echte Kampfhandlungen und einen Kriegseinsatz geraten
waren, der doch eigentlich nur als Sicherungsoperation gedacht war. Man hat mir
berichtet, dass ein Lieutenant Colonel, der die Ereignisse aus der Luft
befehligte, während einer Schlacht plötzlich Handgranaten aus der Laderaumtür
seines Hubschraubers zu schleudern anfing. Als ihm die Granaten ausgingen, soll
er zu seiner 9-mm-Pistole gegriffen haben. Ein Sanitäter, dessen Waffe während
eines Feuergefechts Ladehemmung hatte, drehte sie einfach um und erschlug einen
Angreifer mit dem Kolben. Ein paar Wochen später begegnete ich ihm; für jeden
getöteten Feind hatte er einen Totenkopf auf seinen Helm gezeichnet. Als ihre
Einsatzzeit vorüber war, stand angeblich die Hälfte der Männer aus der Battle
Company unter Einfluss von Psychopharmaka.
    Die
Brigade sollte eigentlich als Nächstes wieder im Irak zum Einsatz kommen, aber
eine Entscheidung in letzter Minute schickte sie stattdessen zurück nach
Afghanistan. Aufständische überquerten im nordöstlichen Teil des Landes die
pakistanische Grenze und sickerten entlang der Täler Pech und Kunar in
Richtung Kabul ein. Aufgabe von The

Weitere Kostenlose Bücher