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Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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entgeistert, die Situation zu erfassen. »Annabel? Was ist denn hier los?«
    »Deine Freundin ist eine Schlampe. Das ist hier los«, fauchte Sophie.
    »Nein«, hielt ich dagegen. »Das stimmt nicht.«
    »Ich weiß doch, was ich gesehen habe!«, schrie Sophie. Emily wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Sophie zeigte mit dem Finger auf mich. »Du hast immer gewollt, was ich habe. Du warst immer eifersüchtig auf mich.«
    Ich merkte, dass ich schwankte. Ihre Stimme war so laut und durchdringend, dass ich das Gefühl hatte, sie würde mir die Knochen durchschütteln und bis in sämtliche Eingeweide vordringen. Ich war völlig verstört. Und merkte plötzlich, wie mir die Tränen kamen. Dabei hatte ich bis zu diesem Augenblick trotz allem, was geschehen war, nicht geweint. (Echt, wie hatte ich nur nicht weinen können, dabei?)Doch jetzt spürte ich einen dicken, langsam anschwellenden Kloß in meinem Hals.
    Sophie stürmte endgültig ins Zimmer. Stand nach zwei großen Schritten dicht vor mir. Der Raum schien zusammenzuschrumpfen   – Will, Emily, alle anderen verschwanden aus meinem Blickfeld   –, bis nichts mehr existierte außer Sophies zusammengekniffenen Augen. Ihrem Finger, der anklagend auf mich deutete. Und ihrer Wut, ihrer rasenden Wut.
    »Das war’s.« Ihre Stimme zitterte. »Ich mach dich so was von fertig.«
    »Sophie.« Abwehrend schüttelte ich den Kopf. »Bitte. Jetzt hör   –«
    »Hau ab!«, schrie sie. »Verschwinde!«
    Und dann schob sich   – so unvermittelt, wie es zuvor ausgeblendet worden war   – alles in mein Blickfeld zurück. Drang wieder in mein Bewusstsein. Und ich sah: die Gesichter der Leute, die sich im Flur versammelt hatten und neugierig zu uns hereinschauten; Will Cash, der immer noch auf dem Bett saß; den meerschaumgrünen Teppich zu meinen Füßen, das gelblich-grelle Licht der Lampe über mir. Vorhin war es so stockfinster gewesen   – schwer vorstellbar bei der Helligkeit, die mittlerweile herrschte   –, dass ich nichts, aber auch gar nichts um mich her hatte erkennen können. Doch jetzt war alles im Raum deutlich sichtbar. Entblößt. Genau wie ich.
    Immer noch stand Sophie direkt vor mir. Um uns herum war es still. Ich wusste, ich hätte das Schweigen brechen, hätte etwas sagen können. Mein Wort stand gegen seines und jetzt noch gegen ihres. Aber ich schwieg.
    Stattdessen verließ ich, von allen stumm beobachtet, den Raum. Ich spürte ihre Blicke auf mir, als ich um Sophieherumging, mich in den Flur hinausdrängte, Richtung Treppe lief. Kam unten im Eingangsflur an, erreichte schließlich die Haustür, öffnete sie, ging hinaus in die Nacht. Über das feuchte Gras zu meinem Wagen. Vollführte jede Bewegung mit Absicht sehr bedächtig und bewusst, als wäre es womöglich ein Ausgleich für das, was gerade passiert war, wenn ich jetzt über jede noch so banale Kleinigkeit die Kontrolle behielt.
    Das Einzige allerdings, was ich während der gesamten Fahrt nach Hause vermied, war, mir selbst ins Gesicht zu schauen. Weder im Seitenspiegel. Noch im Rückspiegel. Bei jedem Stoppschild, jeder Ampel, jedes Mal, wenn ich runterschalten musste, suchte ich nach einem vor mir liegenden Punkt, den ich fixieren konnte: den Kotflügel des Autos, das vor mir herfuhr, ein Gebäude in der Ferne, sogar die durchbrochene gelbe Mittellinie auf dem Asphalt. Ich wollte mich nicht so sehen.
    Als ich heimkam, saß mein Vater wie immer allein vor dem Fernseher und wartete. In dem Moment, da ich das Haus betrat, sah ich es, das fahle, flackernde Licht.
    »Annabel?«, rief er. Gleichzeitig wurde der Fernseher leiser, bis er den Ton endgültig abgestellt hatte. »Bist du das?«
    Da stand ich in unserem Hausflur und wusste: Sofern ich nicht zumindest kurz bei ihm reinschaute, würde er misstrauisch werden. Ich kämmte mir rasch mit den Fingern durchs Haar, atmete tief durch und ging ins Wohnzimmer. »Ja, ich bin’s.«
    Er drehte sich auf seinem Sessel um, blickte mich an. »Hattest du einen netten Abend?«
    »War ganz okay«, antwortete ich.
    »Da läuft gerade eine großartige Sendung.« Er deuteteauf den Fernseher. »Geht um Roosevelts Politik zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise während der Großen Depression, den
New Deal
. Interessant, findest du nicht?«
    An jedem anderen Abend hätte ich mich zu ihm gesetzt. Das war unsere persönliche kleine Tradition, sogar, wenn ich nur einige Minuten lang bei ihm blieb. Doch an diesem Abend konnte ich einfach nicht.
    »Nein danke, bin

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