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Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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Bettdecke zurück; ich brauchte etwas, das mich beruhigteoder zumindest diese chaotischen, verwirrenden Gedanken vertrieb. Und sei es auch nur vorübergehend. Ich steckte die Hand in die Nachttischschublade, holte meinen Kopfhörer raus und schloss ihn an den C D-Spieler an. Ging zu meinem Schreibtisch, kramte in der untersten Schublade alle CDs durch, die Owen mir gemacht hatte, bis ich sie schließlich fand: die gelbe CD mit dem Titel JUST LISTEN.
    Kann sein, dass du die
CD
tatsächlich nicht ausstehen kannst,
hatte Owen zu mir gesagt.
Oder eben doch. Vielleicht ist sie auch die Antwort auf alle Fragen des Lebens. Das ist das Schöne daran. Verstehst du?
    Nachdem ich auf die Starttaste gedrückt hatte, hörte ich zunächst nur die Geräusche, die eine anlaufende CD eben so von sich gibt. Ich machte es mir bequem, schloss die Augen, wartete darauf, dass das erste Lied anfing. Aber es passierte nichts. Auch nicht nach ein paar Minuten. Überhaupt nichts. Bis mir schließlich klar wurde: Die CD war leer.
    Vielleicht war es als Scherz gedacht gewesen. Oder unendlich tiefgründig gemeint. Doch während ich so dalag, hatte ich auf einmal das Gefühl, die Stille würde meine Ohren komplett ausfüllen. Und sie war verdammt laut.
    Es war unglaublich und sehr schräg und auf jeden Fall ganz anders als Musik. Jegliches Geräusch fehlte, alles war leer, doch gleichzeitig drängte diese Stille alles Übrige beiseite und beruhigte mich, bis ich in weiter, weiter Ferne allmählich etwas wahrzunehmen begann, das eigentlich unhörbar war. Aber
da
, wenn auch unendlich leise. Es drang von einem dunklen Ort zu mir, den ich noch nie betreten hatte, aber trotzdem sehr gut kannte.
    Schsch, Annabel, ich bin’s bloß.
    Die Worte bildeten allerdings nur die Mitte der Geschichte. Auch hierzu gab es einen Anfang. Und ich begriff: Wenn ich weiter in dieser Stille verharrte, ihr nicht auswich, würde ich das Ganze hören. Ich musste die gesamte Länge des Wegs zurückgehen, bis zu dem Abend, an dem die fatale Party stattgefunden hatte, zu dem Moment, da ich Emily das erste Mal Sophies Namen rufen hörte. Aber das war okay. Schließlich gab es keinen anderen Weg als diesen, um ans Ende zu gelangen.
    Ich hatte immer nur vergessen wollen. Doch selbst wenn ich dachte, ich hätte es endlich geschafft, drangen immer noch Teile des Geschehenen nach oben, wie Holzstückchen, die an die Oberfläche trudeln und den einzigen, aber untrüglichen Hinweis auf das gesunkene Schiff in der Tiefe unter ihnen bilden. Ein pinkfarbenes Top, mein Name als Verszeile, das Gefühl von Händen um meinen Hals: Das also passiert, wenn man versucht, vor der Vergangenheit zu fliehen. Sie holt einen nicht nur ein, sondern übernimmt die Kontrolle, löscht die Zukunft aus, die Landschaft, sogar den Himmel, bis es keinen Weg mehr gibt als den, der mittendurch führt. Der einzige Weg zurück nach Hause.
    Und ich begriff noch etwas: Die Stimme, welche die ganze Zeit über versucht hatte, meine Aufmerksamkeit zu erlangen, die nach mir gerufen, mich angefleht hatte, sie anzuhören   – es war nicht Wills Stimme. Sondern meine eigene.

Kapitel 18
    »Hier ist WRUS, euer kommunales Radio. Es ist sieben Uhr achtundfünfzig, ihr hört die Sendung
Anger Management
, es folgt: der letzte Song für heute.«
    Ein näselnder Klang, eine laute Rückkopplung. Etwas Experimentelles, Andersartiges, absolut Unanhörbares. Eben ein weiterer Sonntagmorgen mit Owens Sendung.
    Doch für mich war es kein Sonntag wie jeder andere. Seit ich mir in der vergangenen Nacht den Kopfhörer übergestülpt hatte, hatte sich etwas verändert. Nachdem ich lange nur dagelegen und mir die einzelnen Phasen jenes bewussten Partyabends in Erinnerung gerufen hatte, driftete ich in die Stille ab. Denn die Stimme in meinem Kopf hatte endlich ausgeredet. Als ich um sieben aufwachte, hatte ich den Kopfhörer immer noch auf und konnte mein Herz in meinen Ohren schlagen hören. Ich setzte mich im Bett auf, nahm den Kopfhörer ab. Die Stille um mich herum wirkte ausnahmsweise nicht leer und übergroß. Stattdessen fühlte sie sich, zum ersten Mal seit langer Zeit, erfüllt an. Bedeutungsvoll, gesättigt.
    Ich schaltete das Radio ein. Die Sendung hatte bereits begonnen, mit einem klassischen und entsprechend irrsinnig lauten Heavy-Metal-Stück: massive E-Gitarren , jaulender Gesang. Anschließend folgte eine Art russischerPopsong oder so. Und dann ertönte endlich Owens Stimme.
    »Das war die Band
Leningrad
. Ihr hört

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