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Justice (German Edition)

Justice (German Edition)

Titel: Justice (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Fermer
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sein Verhalten. Er hatte sie vernachlässigt, fast ignoriert, auch wenn sie nie aus seinen Gedanken verschwand.
    Milan rief seine Freundin auf dem Handy an. Im Hintergrund vernahm er Stimmen. Zenis Familie hatte offenbar Besuch. Das Wohnzimmersofa war bestimmt voll besetzt, wie es so oft der Fall war. Kein guter Ort, um sich jetzt mit Zeni zu treffen.
    »Ich muss mit dir reden.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich erzähle es dir gleich.«
    »Kommst du her?«
    »Ja. Ich brauche aber noch eine halbe Stunde. Treffen wir uns am Gemeindezentrum?«
    »Ist gut.«
    Kurz darauf setzten sie sich in der Sonne auf eine Bank, die aus zwei Kanistern und einem Holzbrett gebaut war. Milan hatte fast vergessen, dass er ganz anders aussah als vor einer Woche. Zeni war verdutzt über seine neue Frisur.
    »Warum hast du das gemacht?«, fragte sie, und Milan konnte ihr ansehen, dass ihr sein neuer Look nicht gefiel.
    Milan hatte beschlossen, ehrlich zu Zeni zu sein. Keine Ausreden mehr, keine Halbwahrheiten. Er schaute über das offene Gelände hinter dem Zentrum, auf die Müllberge, auf die ausgebrannten Autos und die schlichte Kirche dahinter, und erzählte ihr von seinem Besuch im Kerkweg und seinem schrecklichen Verdacht. Welcher der Grund dafür war, warum er sie eine Woche lang nicht gesehen hatte.
    Zenis entsetzter Blick verriet ihre Meinung, noch bevor Milan fertig war.
    »Du beschattest deinen Lehrer?«, fragte sie ungläubig, nachdem sie sich alles angehört hatte.
    »Ja. Ich musste es tun«, verteidigte sich Milan. »Ich dachte, wenn Stein wirklich etwas damit zu tun hat, dann ...«
    Zeni ließ ihn seinen Satz nicht zu Ende bringen. »Mein Gott, Milan!«, sagte sie vorwurfsvoll. »Du bist kein Polizist!«
    »Na und?«, erwiderte Milan scharf. »Er hat gelogen. Ich habe es gespürt.«
    »Das ist absurd, Milan!«
    »Ich schwöre, etwas stimmt nicht mit ihm«, protestierte er. »Jeden Tag geht er zu irgendeinem Archiv. Verstehst du: Er recherchiert. Was macht er im Grundbuchamt? Was macht er im Staatsarchiv? Findest du das nicht seltsam?«
    Zenis Antwort kam schnell. »Vielleicht sucht er seine Vorfahren?«, zischte sie aufgebracht. »Was erlaubst du dir, Milan? Stein ist dein Lehrer. Und du dringst in seine Privatsphäre ein.«
    »Ich will nur die Wahrheit wissen.«
    Zeni schnalzte mit der Zunge. »Du steigerst dich in etwas hinein. Entweder gehst du mit deinem Verdacht zur Polizei oder du lässt die Finger davon.«
    Milan nickte und senkte den Kopf. Zeni beruhigte sich. Einen Augenblick lang schwiegen sie. Ihr Blick wanderte am Gemeindezentrum vorbei, zu einem Turm auf der anderen Seite des offenen Geländes.
    »Schau mal«, sagte sie leise und zeigte über die Wellblechdächer. »Siehst du den Turm da?«
    Zunächst sah Milan nur ein Durcheinander von verstreuten Antennen. Darüber erstreckte sich ein Netz von tief hängenden Kabeln, das den Stadtteil mit Strom versorgte. Dann sah er den großen Turm, auf den Zeni deutete. Eine kleine überdachte Aussichtsplattform stand auf vier hohen Stelzen und ragte über den Dächern des Townships empor. Die Aussichtsplattform hatte Fenster an allen vier Seiten und bot einen Rundblick über das ganze Viertel.
    »Weißt du, was das ist?«, fragte Zeni mit festem Blick auf den Turm.
    Milan schüttelte den Kopf. Er hatte den Turm noch nie richtig wahrgenommen. »Sieht aus wie ein Wachturm.«
    Zeni nickte. »Es ist ein Wachturm«, bestätigte sie. »Aus den Zeiten des Apartheid-Regimes. Meine Mutter kann sich noch daran erinnern, dass der Turm von Polizisten rund um die Uhr besetzt war. Sie haben auf uns heruntergeschaut. Sie haben darauf geachtet, dass wir uns ordentlich benahmen und keinen Mist bauten. Sie haben uns bespitzelt in unserem eigenen Zuhause. Wie Kriminelle.« Zeni hielt inne und holte Luft. »Weißt du, wie erniedrigend das ist? Wenn Menschen dich für einen Verbrecher halten, obwohl du nichts getan hast? Du bist schuldig. Du bist schuldig, weil sie wollen , dass du schuldig bist. Das ist so menschenverachtend, so entwürdigend.« Zeni faltete die Hände zusammen und senkte den Kopf. »Bitte, Milan, tu nicht das Gleiche wie sie.«
    Milan schaute den Turm wie gelähmt an. Es lief ihm eiskalt den Rücken hinunter. War er wirklich nicht besser als die Wächter des Apartheid-Regimes?
    »Wie lange willst du ihn noch beschatten?«, sprach Zeni weiter. »Bis er einen Fehler macht? Bis er etwas tut, das dir nicht gefällt? Wer weiß, was er zu verbergen hat? Vielleicht geht er ins Bordell.

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