Justice (German Edition)
Vielleicht nimmt er Drogen. Vielleicht schlägt er Frauen. Vielleicht hat er viele schlechte Seiten, von denen du nichts weißt und die du nicht sehen willst. Aber was soll’s? Sie gehen dich doch gar nichts an.« Zeni wandte sich Milan zu und nahm seine Hand. »Du musst es lassen, bevor es zu spät ist«, flehte sie ihn an. »Du musst es lassen, weil es dich auffressen wird. Wenn Stein wirklich etwas mit dem Mord an dieser Frau zu tun hat, wird die Polizei es herausfinden, auch ohne dich.«
Milan nickte bitter. Er fühlte sich zerrissen. Zenis Haltung war im zuwider, auch wenn er wusste, dass sie recht hatte. Es lagen keine Beweise vor, dass Stein etwas mit dem Apartheid-Killer zu tun hatte. Milans Beobachtungen hatten ihn kein Stück weitergebracht.
Doch er konnte einfach nicht loslassen.
»Schlafende Hunde soll man nicht wecken ...«, murmelte er zynisch, mehr zu sich selbst als zu Zeni.
Daraufhin verlor Zeni die Geduld. Sie stieß Milans Hand von sich, sprang von der Bank auf und rief: »Dann geh doch zu ihm! Frag ihn, was er beim Staatsarchiv macht, was er im Grundbuchamt zu suchen hat. Geh doch! Du hast nichts zu verlieren. Und dann ist die Sache vorbei. Wenn du es wirklich wissen willst, dann stell dich, Milan, Mann gegen Mann. Und wenn du verdammt noch mal recht hast, kriegst du eine verfluchte Kugel in die Brust«, schrie sie und kämpfte mit den Tränen. »Aber hör bloß auf, ihm hinterherzuspionieren!«
Milan wollte seine Freundin beruhigen. Er griff nach ihrer Hand und hielt sie nur kurz, bevor Zeni sie entschlossen wegzog. Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.
»Ich will nicht mit einem Spitzel zusammen sein!«, rief sie aufgebracht.
Milan stand auf und versuchte, Zeni in die Arme zu nehmen, aber sie ließ sich nicht trösten. Sie schüttelte seine Hände ab und machte ein paar Schritte Richtung Straße.
»Ich gehe nach Hause«, schluchzte sie und konnte Milan dabei nicht mehr in die Augen schauen. »Tschüss, Milan. Bitte, denk darüber nach, was ich gesagt habe.«
Ohne ein weiteres Wort ging Zeni zielstrebig über die Straße. Milan bat sie zu bleiben, lief ihr hinterher, rief ihren Namen. Aber sie ignorierte seine Rufe. Er blieb mitten auf der Straße stehen und schaute hilflos zu, wie sie in der Paradise Road verschwand. Dahinter – am fernen Horizont – zogen sich die Wolken über dem Tafelberg zusammen und verschluckten ihn im grauen Nebel. Milan spürte: Er war dabei, Zeni zu verlieren.
Zeni hatte recht. Milan sollte mit Herrn Stein reden. Von Mann zu Mann. Auch wenn er zum zweiten Mal alles leugnete. Es war Zeit, mit Stein reinen Tisch zu machen, egal wie sein Geschichtslehrer darauf reagieren würde. Auch wenn Stein einem klaren Plan folgte, deutete nichts darauf hin, dass er der Apartheid-Killer war. Nun wollte es Milan endgültig wissen. Und zwar nicht, indem er ihm hinterherspionierte. Er wollte ein offenes Gespräch führen. Wichtig war jetzt nur die Wahrheit. Auf beiden Seiten.
Die Nacht brach bereits herein, als Milan gegenüber von Steins Bungalow parkte. Zum Glück war sein Lehrer zu Hause. Das Licht im Wohnzimmer brannte. Milan sammelte sich und versuchte seine Nervosität hinunterzuschlucken. Mit schweren Schritten überquerte er die Straße und betrat den Garten. Hier verbrachte Stein offenbar auch viel Zeit, denn die Blumen und Pflanzen waren liebevoll arrangiert und der kleine Rasen akkurat gemäht.
Milan blieb vor der Haustür stehen und schaute auf die Klingel. Hier gab es keine Überwachungskamera, kein schmiedeeisernes Tor. Er wollte gerade klingeln, als er plötzlich eine Bewegung hinter dem Vorhang wahrnahm. Milan ließ die Hand sofort sinken. Ein schmaler Spalt zwischen den Vorhängen erlaubte ihm einen Blick ins vordere Zimmer. Herr Stein ging am Fenster vorbei. Er blieb vor dem Esstisch stehen und beugte sich vor. Kurz darauf machte er wieder einen Schritt zur Seite. Auf dem Tisch lag der kleine unbeschriftete Karton, den er in der Autowerkstatt in Bo-Kaap abgeholt hatte. Daneben eine silberne Metallkiste. Beide standen offen. Milan konnte den Inhalt der beiden Kisten nicht erkennen, also machte er einen kleinen Schritt auf das Fenster zu, um einen Blick in die zwei Kisten zu erhaschen. Was er sah, ließ ihn zusammenzucken: Eingebettet in einer zugeschnittenen Form aus Schaumstoff lag ein glänzender schwarzer Revolver.
Stein tauchte wieder am Tisch auf, mit dem Rücken zu Milan. Dieser drückte sich an die Außenmauer und sah, wie Stein die
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