Justifiers - Autopilot: Justifiers-Roman 7 (German Edition)

dem er vor zwanzig Jahren zum ersten Mal begegnet war, sondern dem älteren, der ihn auf seinem jüngsten Fall begleitet hatte. Nach At Lantis.
    Oder ist das mein erster Fall? Seine Gedanken begannen wild durcheinanderzuwirbeln, frei von dem alles beengenden Druck, der sie gerade erst noch so träge gemacht hatte. Ich bin nicht ich. Oder doch? Beauregard hat es gewusst. Wer noch? Madonna? Bruno? War ich wirklich tot? Bin ich noch tot? Hermes Christus! Denk nicht darüber nach. Es gibt keine Antwort. Alles Fleisch ist nur Gefängnis. Beauregard lügt. Und selbst wenn nicht: Du kannst es nicht ändern. Es ist, was es ist. Du bist, was du bist. Du bist du. Beauregard … Beauregard … Pollock flüchtete sich in ein Gefühl, das ihm vertraut war: Zorn. Dieser Wichser!
    »Jammer nicht!«, krächzte er Bruno heiser entgegen. »Hilf mir hoch.«
    »Es tut mir wirklich leid«, wiederholte Bruno, tat aber, wozu ihn Pollock aufgefordert hatte.
    »Klappe!« Pollock atmete einige Male tief durch den weit geöffneten Mund, wobei er sich halb an Brunos Schulter, halb an der Tischkante abstützte. »Okay … okay …«
    »Du blutest!«, klagte Bruno.
    »Wo?«
    »Aus der Nase.«
    »Scheiße …« Pollock legte den Kopf in den Nacken und wedelte hektisch mit der Hand. »Taschentuch!«
    Bruno gab ihm seins. Pollock hielt sich das kleine Stück Stoff unter die Nase und machte auf wackligen Knien einen Schritt nach hinten. »Bring mich zur Tür!«
    »Wo willst du hin?«
    »Ich habe einen Fall zu lösen.« Und da interessiert es mich einen Scheißdreck, ob ich tot oder lebendig bin.

70
    02.10.3042 A.D., 18:36
    System: Sol
    Planet: Erde
    Ort: Lantis Island, Privatraum 3c von Wilbur Graeme Lantis
    Als Pollock aus einem der Schränke heraus und in die Kapitänskajüte hineinwankte, entglitten Leo Beauregard die kantigen Gesichtszüge: Er machte große Augen, und sein Kiefer klappte herunter. Allerdings gewann er schon nach wenigen Sekunden die Fassung zurück und zeigte wieder die Miene eines Generals, der von einem fernen Hügel aus dabei zusah, wie seine Truppen in eine alles entscheidende Schlacht zogen.
    »Was für ein billiger Trick, Wilbur«, sagte er, als würde er einen inkompetenten Offizier aus seinem Stab rügen.
    Lantis zuckte die Achseln.
    »Beleidigt, dass Sie darauf reingefallen sind, Leo?« Pollock wünschte sich, er hätte höhnischer geklungen, doch das Taschentuch, mit dem er das langsam versiegende Rinnsal Blut aus seiner Nase auffing, verlieh seiner Stimme eher etwas Meckerndes.
    Beauregard ignorierte ihn, schaute fast gelangweilt auf seine Multibox und richtete dann den Blick fest auf Lantis. »Mir schwant schon, was Ihnen dieser Mann eingeredet hat, Wilbur. Er will mich in die Rolle des finsteren Drahtziehers drängen. Natürlich will er das. Er braucht einen Sündenbock für sein eigenes Versagen, seine eigene Unfähigkeit, die wahren Mörder zu stellen. Ich möchte Sie bitten, einen Moment über etwas nachzudenken. Etwas, das mit allem zusammenhängt, was ich Ihnen gerade über diesen Klon erzählt habe.«
    »Sie ziehen Ihren Kopf nicht mehr aus der Schlinge«, grantelte Pollock und versuchte nicht weiter darauf zu achten, als was ihn Beauregard so beiläufig bezeichnet hatte.
    Lantis hob beschwichtigend die Hand. »Lassen Sie ihn bitte reden … Pollock.«
    Beauregards Dank war ein knappes Nicken. »Haben Sie die Möglichkeit in Betracht gezogen, Wilbur, dass alles, was sich hier in letzter Zeit ereignet hat, von niemand anderem eingefädelt ist als Knowledge Alliance?«
    »Bullshit!« Pollock setzte sich auf einen Hocker, den Bruno eilig aus einer der Ecken herbeischleifte und an der Querseite des Schreibtischs platzierte.
    » Alliance möchte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen«, fuhr Beauregard ungerührt fort. »Sie wollen einen unumstößlichen Beweis dafür liefern, dass ihr Projekt Lazarus ein voller Erfolg ist, und sie wollen gleichzeitig Pollock Shermar als quotenträchtige Marke reanimieren. Was wäre dazu besser geeignet, als den neuen Shermar einen spektakulären Fall lösen zu lassen? Eine richtig harte Nuss mit richtig vielen Toten, und noch dazu vor einer farbenprächtigen Kulisse, die das Publikum in ihren Bann zieht? Alles, was man dafür bräuchte, wäre ein skrupelloses Team aus Justifiers und einen Maulwurf, den man Ihnen untermogelt. Dieser Maulwurf müsste selbstverständlich jemand sein, der erstens die Sicherheitsvorkehrungen in At Lantis kennt und zweitens – und sei es auch nur aus