Justifiers - Autopilot: Justifiers-Roman 7 (German Edition)

schweifen. Durch den Durchgang zum nächsten Raum fiel ein Streifen Sonnenlicht. »Ist da hinten das Apartment schon zu Ende?«
    »Schon?« Trudy sah ihn verblüfft an. »Ist es Ihnen zu beengt, Shermar, oder was?«
    Pollock schlenderte auf das Licht zu. Die Halle, die sich vor ihm öffnete, war ein ganzes Stück kleiner als die, aus der er kam. Auf der gegenüberliegenden Seite war sie durch eine Glasfront begrenzt, durch die mehrere Schiebetüren Zugang zu einer Terrasse boten. Dominiert wurde der Raum allerdings nicht von dem herrlichen Ausblick aufs Meer, sondern von einem runden Tisch, auf dem ein maßstabsgetreues Modell der Nabe der atlantischen Hauptinsel aufgebaut war. Fünf antike Holztruhen, in deren gewölbte Deckel Wappentiere lange untergegangener Adelshäuser eingeschnitzt waren, dienten als reichlich unbequem wirkende Sitzgelegenheiten. Als Pollock näher kam, sah er, dass neben dem Turm ein Spielbrett ausgebreitet war – es beschrieb einen Kreis von ungefähr anderthalb Metern Radius und war förmlich von Figuren und Markern übersät. Pollock brauchte einen Moment, um zu erkennen, was es darstellte: die Etage der Nabe, in der er sich gerade befand.
    »Haben Sie sich das hier bei Ihrer Untersuchung angesehen?«, rief er Trudy zu.
    »Was?«
    »Dieses Spiel hier.«
    Trudy schüttelte den Kopf. »Nein. Wieso?«
    »Amateure«, sagte Pollock leise.
    Trudy hatte allerdings ausgezeichnete Ohren. »Oh, Entschuldigung, dass ich nicht jedes verdammte Spiel hier inspiziert habe. Tut mir leid. Könnte daran liegen, dass ich und meine Leute damit beschäftigt waren, den Hausherren von seinem Stuhl loszukriegen, ohne ihm den gesamten Arsch abzureißen.«
    Pollock blendete ihr Gezeter aus und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf das Spielbrett. Die Figuren waren aus irgendeinem Kunstharz gegossen und wirkten erstaunlich lebensecht. Eine von ihnen lag auf der Seite. Geschlagen oder nur umgefallen? Pollock betrachtete die winzige Nachbildung eines Mannes im Kimono mit einem Katana in der Rechten näher. Da Mota. Das erste Opfer.
    Er umrundete langsam den Tisch und machte die Miniaturausführungen einiger bekannter Gesichter aus. Da war Cleo Purrtra – Ein Catsuit? Wirklich? –, und neben ihr ein Marker, der eine Klaue zeigte, von deren Spitze Blut tropfte. Weil man ihr gute Kontakte zu Pride Fur nachsagt?
    Auch der militärische Bürstenschnitt von Leo Beauregard war unverkennbar. Auf seinem Feld hatte Kaschgalejew gleich zwei Marker platziert. Eine explodierende Bombe. Ist das nur ein Verweis auf sein Temperament, oder sollte ich mir ernsthaft Sorgen um Leo machen? Der andere Marker war vergleichsweise harmlos. Zwei Männer, die sich die Hände reichen. Freunde? Geschäftspartner? Komplizen?
    Pollock ging weiter und erreichte das Segment des Bretts, das für Kaschgalejews Wohnareal stand. Slim ist ja gar nicht zu Hause. Kaschgalejew zu identifizieren erwies sich als kleine Herausforderung, denn er war eitel genug gewesen, die eigenen Gesichtszüge für seine Figur etwas edler gestalten zu lassen, als es der Wirklichkeit entsprach: Mini-Slims Nase war kürzer, seine Wangenknochen höher und sein Kinn energischer. Er teilte sich das Feld mit einer zweiten Figur, die Darstellung eines untersetzten Mannes, der beinahe so breit wie hoch war. Die Figuren waren einander zugewandt und berührten sich fast. Ist das nur ein unschuldiger Besuch, oder heißt das, dass in der nächsten Runde einer der beiden vom Feld genommen worden wäre? Schade, dass Slim nicht so freundlich war, hier irgendwo auch die Spielanleitung zu hinterlegen. Pollock massierte sich beiläufig die Schläfen, um den frechen Kater in seinem Schädel im Zaum zu halten. Und aus dem Marker auf diesem Feld werde ich genauso wenig schlau. Eine geöffnete Tür, hinter der man einen Sternenhimmel sehen kann. Direkt an der Außenwand des Apartments dieses Zwergs. Ein Notausgang ins All?
    Er widmete sich wieder dem Feld, in dessen Entsprechung in der Realität er sich selbst momentan aufhielt. Der eine der beiden Marker darauf trug ein universelles Symbol für Reichtümer: einen Stapel Goldbarren. Auf dem anderen war ein Wappen abgebildet, ein rotäugiger schwarzer Drache, und Pollock jagte ein Schauer der Erregung über den Rücken. Das Wappen! Das hab ich eben erst gesehen!
    Er hetzte um den Tisch herum zu einer der Truhen. Tatsächlich! Der Schnitzerei fehlte zwar das Rot des Drachenauges auf dem Marker, doch ansonsten war es das gleiche Fabeltier: der