Justifiers - Hard to Kill: Justifiers-Roman 8 (German Edition)
Schrank stand noch darin, an der Wand gab es einen großen Bildschirm, staubblind, ansonsten nichts. Ohne weitere Umstände fing Eddie an, den Schrank zu durchwühlen.
»Vielleicht treffe ich Entscheidungen, die dir nicht passen.« Der Schrank nahm eine ganze Längsseite ein, Morbus öffnete ihn auf der entgegengesetzten Seite und hustete, als Staub aufwirbelte und ihm in die Atemwege drang. »Nelly beispielsweise.« Leere Bretter. Sicherheitshalber schob er behutsam den Staub beiseite, die Schicht war so dick, dass sich darin durchaus ein Datenchip hätte verbergen können. »Wir hätten sie dalassen können oder mitnehmen. Du wolltest sie dalassen, ich habe sie mitgenommen. Das ist eine Entscheidung, auch wenn sie dir nicht passt.«
»Nelly ist so schwer verletzt, dass wir sie nicht durchbekommen. Das weiß ich, das wusste sie selbst. Sie mitzunehmen, war keine Entscheidung. Du hast nur das Unvermeidliche aufgeschoben. Genau das meine ich. Du schiebst auf. Du triffst keine Entscheidungen, du schiebst sie auf. Die Höhle ist dasselbe. Da können wir nicht bleiben. Also willst du dort bleiben, weil damit noch alle Optionen offen sind.«
Hinter der Tür war nichts. Morbus öffnete eine der drei Schubladen darunter. Sein Herz raste, und in seinem Kopf rauschte es unheilverkündend. Eddies Bewegungen waren ihm unangenehm bewusst. Er fand, dass jeder bei dem bleiben sollte, was er konnte. Beispielsweise dabei, Autos zusammenzuschrauben oder Kameras anzuschließen oder ein schweigsamer Typ zu sein, der im Hintergrund herumwerkelte, ab und zu missbilligend dreinschaute und ansonsten die Schnauze hielt. Seit dem Absturz redete Eddie ihm zu viel. »Wenn das hier«, sagte er sehr langsam und betont, »eine in irgendeiner Weise vielversprechende Zuflucht wäre, dann wäre ich der Erste, der sagt, dass wir bleiben sollten. Wenn es eine Krankenstation gäbe, die den Namen verdient. Etwas zu essen. Strom. Aber das hier ist ein reiner Scheißdreck. Hier kann man sich nur verbarrikadieren, um zu verrecken.«
»Krankenstation«, wiederholte Eddie amüsiert. »Schön, dass du noch nicht nachgesehen hast, was es dort gibt. Wo du dich doch so um Nelly sorgst.«
»Ich dachte, du hättest gesagt, da gibt es nichts.«
»Ist auch so. Weißt du – genau das meine ich. Wenn wir hier Strom hätten, fließend Wasser, für zehn Jahre zu essen und unten ein Shuttle, das ich in ein paar Monaten Arbeit wieder flottkriege … oh.« Offenbar hatte er etwas gefunden, er pustete Staub von einem winzigen Gegenstand, der auf seiner Handfläche lag, und verstaute ihn behutsam in einer seiner vielen Taschen, ehe er weitersuchte. »Dann wäre es keine Entscheidung«, fuhr er nüchtern fort, betastete die letzten paar Zentimeter Regalbrett und schloss die Tür. »Du willst, dass alles perfekt ist. Wenn es nicht perfekt ist, willst du es nicht. Und weil nichts perfekt ist, willst du nichts. Deshalb gammelst du bei irgendeinem Mist rum, bis die Dinge irgendwann sind, wie sie sind, und dann jammerst du darüber, wie scheiße doch alles ist.«
»Schön«, sagte Morbus. »Wunderbar. So eine scharfsinnige Analyse, und das gratis! Und das von einem Mann, der seine Freundin mit einem Hammer erschlagen hat.«
Eddie grinste. »Das war immerhin eine Entscheidung, das musst du zugeben.«
»Weißt du, unter zivilisierten Menschen nennt man das nicht Entscheidung, sondern Mord. Nur falls es dir noch nicht aufgefallen ist.«
»Und unter zivilisierten Leuten nennt man das hier Datenchip.« Eddie schloss die zweite Schranktür und zog den Gegenstand aus seiner Tasche, den er im ersten Fach gefunden hatte. »Mal schauen, ob da noch was drauf ist.«
»Mord«, wiederholte Morbus scharf. »Von einem Mörder lasse ich mir sicher nicht …«
»Mimimimimi«, machte Eddie wieder. »Als wärst du besser. Jetzt halt endlich die Schnauze.«
Auf einmal zeigte die Mündung der Viper auf Eddies Brust, und das nachdrückliche Klicken, als Morbus durchlud, war in der Stille der verlassenen Anlage unnatürlich laut.
Eddie sah nicht annähernd so überrascht aus, wie Morbus selbst war, er hob nur die Augenbrauen, dann schob er den Lauf beiseite. »Lass den Blödsinn.« Kopfschüttelnd stampfte er an Morbus vorbei nach draußen.
Mit rasendem Herzen stand Morbus da und lauschte der Übelkeit in seinen Eingeweiden. Es dauerte einen Augenblick, bis er sich wieder halbwegs im Griff hatte. Eddie umbringen wollte er noch immer, aber natürlich war das …
… eine
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