Justifiers - Hard to Kill: Justifiers-Roman 8 (German Edition)
machen ist. Ich bringe in Erfahrung, was da draußen los ist, und dann kümmern wir uns um die Passagiere und den Notstrom. Oder«, er seufzte, »vielleicht besser gleich darum zu packen.«
Es fraß.
Arris prallte zurück. Es war ein Anblick wie aus einem Albtraum. Die dämmrige Höhle, der Frosch mittendrin, ein Stück daneben die reglose Nelly auf dem Boden. Und auf ihr, in ihr, die Schnauze in ihren Eingeweiden vergraben: ein blassgraues Geschöpf von der Größe eines wirklich großen Hundes.
Vielleicht gab er ein Geräusch von sich. Vielleicht wurde es auch anders auf ihn aufmerksam. Es hob den Kopf, die Bewegung war grässlich ruckartig und zugleich flüssig. Die Augen waren vollständig weiß. Es zischte. Und dann, übergangslos, griff es an.
Arris zuckte nicht mit der Wimper, er feuerte, noch bevor das Vieh richtig zum Sprung angesetzt hatte. Der Schuss traf den langen, schmalen Schädel und zerschmetterte einige der Zähne, Arris registrierte die angerichteten Schäden präzise, obwohl es so schnell ging, dass Morbus oder Eddie gar nicht richtig gesehen hätten, was geschah. Sein Gegner flog ein Stück zurück, und noch bevor er landete, saß der zweite Treffer, der dritte, der vierte. Dann hielt Arris inne und wartete, es war möglich, dass es reichte.
Munition sparen , hallte eine nachdrückliche Stimme durch seinen Hinterkopf, vielleicht war es die von Morbus, vielleicht gehörte sie aber auch dem Sergeant, Nelly oder sogar einem der drei Implantate in seinem Hirn, er wusste es nicht.
Der Gegner rappelte sich auf. Taumelte. Arris wartete. Mit hellwachen Sinnen registrierte er alles rundum – die Wärme, die durch den Eingang in seinem Rücken hereinsickerte, den scharfen Geruch von Blut, den der Verwesung, von dem er nie gewusst hatte, weshalb man sagte, er sei süßlich, er empfand ihn als bitter und herb. Er roch auch das Alien – die Lucie. Ihren leicht modrigen Geruch, die Klebrigkeit des zähen dunklen Bluts. Und ihre Wut.
Ihr Kreischen gellte in seinen Ohren, das schwache Echo von Schmerz vibrierte in den hochempfindlichen künstlichen Trommelfellen. Tatsächlich, sie kam wieder auf die Beine. Vier Treffer in den Schädel, und sie blieb nicht liegen. Morbus hatte recht gehabt, es hielt sie auf, aber es konnte keine Rede davon sein, dass ein Volltreffer sie augenblicklich stoppte. Sie taumelte auf ihn zu, er wartete ab, betrachtete sie über den Lauf der Viper , sah die Schwäche in ihren Bewegungen, nahm wahr, dass sie fast unmerklich langsamer wurde. Eins der Implantate im Hirn stellte Berechnungen an und gab Entwarnung. Hätte etwas davon abgehangen, hätte er sich anderen Problemen zugewandt, aber es gab keine anderen Probleme, und er ließ die Viper auf sie ausgerichtet.
Die Lucie schaffte noch ein Stück.
Zwei Meter vor ihm brach sie zusammen. Die Augen standen offen, die weißen Augäpfel bewegten sich. Ohne irgendeine Regung in der Mimik steckte Arris die Viper weg und zog eins der Kampfmesser, die an seinen Oberschenkeln festgeschnallt waren, überbrückte den kurzen Abstand mit zwei raschen Schritten und brachte die Sache zu Ende. Das Risiko war wohlkalkuliert und die gesparte Munition wert. Die Lucie zuckte, spuckte und starb.
Erstaunt sah Arris auf sie hinunter. Auch wenn es recht beeindruckend war, dass sie trotz der vier Treffer weitergelaufen war, er hatte mehr erwartet. Viel Lärm um nichts , dachte er. Dann nahm er das Piepsen des Alarms wahr und wusste, dass Morbus ihn anfunkte, aber er ging nicht nach draußen, sondern zu Nelly. Um Abschied zu nehmen. Um kurz die Hand an ihre Wange zu legen und der schwindenden Wärme nachzufühlen. Um die heruntergewühlte Isolierdecke über sie zu ziehen, über die Schienen, den offenen Bauch, ihr Gesicht. Aber dann tat er es doch nicht.
Ihre Augen waren offen. Sie schaute ihn an.
Er starrte zurück. Sah, wie sich die Nickhäute kurz und reflexhaft über den gelben Augen schlossen. Sein Blick wanderte nach unten. Es sah schlimm aus. Kaum vorstellbar, dass diejenige, der dieser Bauch gehörte, noch am Leben war.
Als sein Blick zu ihrem Gesicht zurückkehrte, schaute sie ihn noch immer an. Er schluckte die Übelkeit hinunter. »Was soll ich tun?«, fragte er sie.
Schweigen. In ihrem Gesicht erkannte er keinen Ausdruck, keinen Schmerz, keine Angst, aber auch keine Bitte. Gar nichts. Es war reptilisch und leer. Nelly hatte nie viel Mimik gezeigt, dafür immer direkt und ohne Umschweife gesagt, was sie wollte, was los war, was man tun
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