Justifiers - Sabotage - Koch, B: Justifiers - Sabotage
deren Regeln sie nicht verstand. Was hatte sie abgesehen von überflüssigen Annehmlichkeiten auch schon zu bieten? Außer vielleicht dem gutmütigen José.
José, dessen Helfersyndrom und Mitleid sie erfolgreich geweckt hatte, der sie gerettet hatte. Doch sie wollte kein Mitleid. Natürlich würde sie mit ihm schlafen, wenn er das wünschte, allein schon aus Dankbarkeit. Aber sie würde nicht in eine irgendwie geartete Beziehung rutschen, die sie in unterlegener Position begonnen hatte. Wenn sie genesen war, wollte sie Rache, nicht verhätschelt werden.
Sie würde heimlich und ohne Begründung verschwinden, damit sie nicht erleben musste, wie er sie für ihren Rachedurst verachtete, denn das würde er unweigerlich tun. Er war einer von den Guten.
»Gut. Was heißt das schon«, fragte sie die Kerze. José war ein Samariter, ein Gutmensch, der sie ständig so ekelhaft verständnisvoll ansah. So als mochte er sie, vielleicht sogar mehr, aber wahrscheinlich fühlte er sich in ihrer Nähe nur gut, weil er Gutes tun konnte, es war alles reine Selbstbestätigung. Bestimmt hielt er sich für was Besseres – wenn die Zärtlichkeit in seinem Blick wirklich ihr galt, hätte er doch schon längst versucht, ihr an die Wäsche zu gehen. Natürlich mochte sie es, faul dazuliegen und bedient zu werden, aber deswegen brachte sie dem Bedienenden keinen Respekt entgegen. Er war ein Mensch, und Menschen dienten nun einmal gern. Sie klammerten, versprachen sich die Ewigkeit, definierten sich über andere, ordneten sich artig ein und dabei meist unter. Ihnen fehlte der Sinn für wirkliche Freiheit. Zeigte einer dennoch Ansätze davon, nannten sie das Egoismus. Davon war José weit entfernt, er war einer von den Guten, einer von denen, die Schwäche für Rücksicht und damit moralisches Verhalten hielten.
Ein Teddybär , dachte sie, auch wenn sie wusste, dass sie ihm damit Unrecht tat, er hatte sich selbst noch nie als gut bezeichnet. Aber wenn ein Mann in ihr nur eine Patientin sah, dann sah sie in ihm eben nur den Pfleger. War doch sein Problem.
Von wegen Moral und Altruismus. In seinem Beruf und seiner Situation konnte er sich ein solches Verhalten auch leisten, dort wurde es geradezu verlangt. Sie dagegen wurde gejagt. Auch wenn Sörensen in seiner Sendung lange nicht mehr über sie gesprochen hatte, so wusste Lydia doch, dass sie erst in Sicherheit war, wenn die Geschichte um Dr. Schmidt vollkommen geklärt war. Erst dann war ihr angebliches Wissen keine Gefahr mehr. Bis dahin wollte irgendwer ihren Kopf.
»Weihnachten ist die Zeit der Versöhnung«, sagte eben eine hübsche blonde Sprecherin von Gauss bei GalaxyView. Ein irritierender Satz für einen nach Gewinnmaximierung strebenden Konzern, dessen Schwerpunkt die Produktion von Waffen war. »Und so wollen wir Romanow um Verzeihung bitten für unser damaliges Mitbieten im Entführungsfall ihres Mitarbeiters Dr. Schmidt. Es war ein peinliches Missverständnis, das zu unserem Verhalten führte, und ein Fehler. Wir wünschen Dr. Schmidt eine baldige und gesunde Heimkehr in den Kreis der Lieben und hoffen, dass die Täter ebenso rasch gefasst werden.«
Was sollte das jetzt? , fragte sich Lydia. Missverständnis? Was für ein Missverständnis? Hatten sie etwa gedacht, der Mann arbeite für sie? Ist ja schließlich ein häufiger Name, da kann das schon mal passieren , dachte sie zynisch. Auch wenn man sich nicht sicher ist, lieber mal hundert Millionen lockermachen, bevor man einen genauen Blick in die Personalakte wirft.
Oder sollte das die öffentliche Entschuldigung für eine mögliche Auseinandersetzung sein, die in den letzten Wochen unbemerkt hinter den Kulissen getobt hatte? Hatte sie nicht etwas von zwei toten Gauss -Wissenschaftlern gehört? Beides äußerst unglückliche Unfälle.
Egal , sagte sie sich. Sie hatte sich vorgenommen, diese Geschichte zu vergessen und zu ignorieren. Es war nicht ihre Story, Aleksej konnte ihr gestohlen bleiben, und dem Lügner Sörensen würde sie auch keinen Tipp mehr geben. Mit den Botengängen und kleinen Diensten war es ein für alle Mal vorbei. Das würde sie nicht mehr machen, für niemanden.
Doch plötzlich tauchte eine Frage aus ihrem Inneren auf, die dort schon länger gelauert haben musste: Was hatte Dr. Schmidt vor dem Starluck getan?
Sie erinnerte sich, dass Aleksej ihn von der Straße hatte hereinkommen sehen. Mit dem Koffer. Wenn der Inhalt wirklich derart wertvoll war, weshalb nahm er ihn dann mit hinaus? Dort fanden sich
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