Juwelen der Liebe
befand sich wahrscheinlich gar nicht im Zimmer. Das Mädchen konnte das Miauen einer Katze nicht von menschlichem Weinen unterscheiden.
Sie seufzte. »Gut, ich werde nachsehen, was los ist, sobald ich mich wieder umgezogen habe«, sagte sie dem Mädchen. »Und danke, dass Sie mich benachrichtigt haben.«
Kimberly beeilte sich nicht. Die Sache war einfach zu absurd. Als sie Mrs. Canterbys Räume verließ, hatte sie beinahe schon entschieden, sich nicht weiter darum zu kümmern. Das Zimmer ihres Vaters befand sich in einem anderen Flügel, und es war ein ziemlich langer Weg dorthin. Es wäre die reine Zeitverschwendung - aber dann war da noch immer die Katze. Sie konnte das Tier nicht einfach dort lassen, wenn es offenbar verzweifelt schrie, weil es eingesperrt war.
Also machte sie sich auf den Weg, und als sie vor der Tür ihres Vaters ankam, hörte sie nicht das kleinste Geräusch. Sie klopfte leise, aber noch immer regte sich nichts. Dann öffnete sie die Tür einen Spaltbreit und erwartete, dass die Katze an ihr vorbeistürmen würde. Nichts geschah. Sie öffnete die Tür etwas mehr. Und dort saß er, in einem Sessel, die Hände vor den Augen. Er trug einen Hausmantel, als hätte er sich den ganzen Tag noch nicht angezogen.
Sie war überrascht. Und dann stieg Mitgefühl in ihr auf. Wenn er wirklich geweint hatte - was sie noch immer kaum zu glauben wagte -, aber ...
»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?« fragte sie vorsichtig. Ihre Stimme ließ ihn aufschrecken. Die Hand sank herunter und gab seine blutunterlaufenen Augen frei. Aber es waren weder Tränen noch Spuren davon zu sehen, was allerdings nichts zu sagen hatte. Er konnte sie weggewischt haben.
»In Ordnung?« brauste er auf. »Sicher. Warum sollte nicht alles mit mir in Ordnung sein?«
Kimberly stutzte. Seine Stimme klang eindeutig schleppend. Dann bemerkte sie die beinahe leere Flasche Brandy auf dem Tisch neben ihm.
Er war betrunken. Unglaublich. Cecil Richards trank niemals über den Durst, eher im Gegenteil. Ein Glas Wein zum Dinner, mehr erlaubte er sich nicht. Oder einen Cocktail auf einer Party. Das war alles.
So hatte sie ihn noch nie gesehen. Wahrscheinlich gab es auch sonst niemanden, der ihn in diesem Zustand kannte. Es war ein einmaliges Erlebnis, seltsam und verblüffend.
Sie konnte nicht anders, als ihn zu fragen. »Warum trinken Sie am hellen Nachmittag?«
»Tue ich das?«
Sie hob eine Braue. »Das denke ich doch.«
»Ich auch«, schnaubte er. »Und warum sollte ich nicht, wenn dieser Mistkerl, den du heiraten willst, seine verdammte Meinung nicht ändern will.«
Das war es also! Das Warten hatte ihm tatsächlich schlimmer zugesetzt, als sie geglaubt hatte. Dennoch wäre es für ihren Vater typischer gewesen, sich in einen gehörigen Wutausbruch zu steigern, statt zu trinken. Es sei denn, er fürchtete sich davor, Lachlan in dieser Angelegenheit die Stirn zu bieten.
»Erinnert mich an Ian«, murmelte er weiter.
»Was denn?« fragte sie und glaubte, er meinte Lachlans Unentschlossenheit.
»Das Trinken. Er konnte beim Alkohol nie maßhalten, dieser Säufer.«
»Wer ist Ian?«
Er griff nach der Flasche, verfehlte sie und vergaß sofort wieder seine Absicht. »Mein bester Freund, wenigstens war er das, dieser Bastard. Du kennst ihn nicht, Mädchen. Er ist es auch nicht wert, dass man ihn kennt, deshalb sei dankbar dafür.«
Bester Freund? Sie hatte nie etwas von engeren Freunden ihres Vaters gewu ss t. Thomas, der Vater von Maurice, war eine Ausnahme gewesen. Doch handelte es sich dabei eher um eine Geschäftsverbindung. Seine schroffe Art entfremdete ihm die Leute schnell und hielt sie auf Distanz. Die Freundschaft mit diesem Ian musste also schon lange zurückliegen. Vielleicht hatte ihr Vater früher einen angenehmeren Charakter besessen, so dass die Menschen ihm näher sein konnten. Ganz offensichtlich hatte der Tod seiner wahren Liebe ihn verdrießlich und bitter werden lassen. Das war vor Kimberlys Geburt geschehen.
Nun wusste sie, warum er betrunken war. Seine Vergangenheit interessierte sie nicht weiter. Sie überlegte vielmehr, wie sie ihn geschickt dazu bringen konnte, sich ins Bett zu legen, um seinen Rausch auszuschlafen. Denn ihr war nicht wohl, wenn sie ihn in diesem Zustand verließ. »Was machte Ian, wenn er zuviel getrunken hatte? Seinen Rausch ausschlafen?« fragte sie und versuchte, ihn indirekt zu lenken.
Er verstand den Hinweis nicht. Im Gegenteil, etwas Schlimmeres hätte sie nicht sagen können. Sein
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