Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
K

K

Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
Vom Netzwerk:
Irgendwelche Fragen?«
    Seine Blicke wandern über den Boden, ebenso die Blicke seiner Männer.
    »Na dann, ab marsch, Bellerophone, stürzt euch auf sie!«, knurrt Walpond-Skinner.
    Stühle werden zurückgeschoben, letzte Schlucke getrunken, Tassen abgestellt, Rülpser hängen wie letzte Aufrufe über leeren Tellern; dann trotten die Männer nach draußen. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, Tau hängt im hohen Gras, vereinzelte Spinnfäden schweben zwischen den Halmen: Es ist nicht kalt. Im milden Sommermorgen wirkt es sehr unangebracht, als die Männer sich dicke Lederjacken, Handschuhe und pelzgefütterte Stiefel anziehen. Die Piloten und Beobachter der SE5-Maschinen streifen sich Handschuhe und Stiefel aus Bisamfell über seidenes Unterzeug und reiben sich Stirn und Wangen mit Tran ein: Sie werden noch viel höher fliegen. Neben ihnen umrunden Mechaniker die Maschinen auf dem Flugfeld, tätscheln Hecks und Motoren, als führten sie Windhunde oder Rennpferde in die Startboxen. Serges RE8 steht fast am Ende der Reihe; Gibbs hockt bereits drinnen. Serge klettert auf den Rücksitz, quetscht Brottrommel und Cognacflasche, die er sich unter den rechten Arm geklemmt
hatte, zwischen Funkensender und 6-Volt-Batterie, dreht schwungvoll das Lewis-MG beiseite und lässt sich auf seinen taufeuchten Platz sinken, während überall um ihn herum Mechaniker Propeller anwerfen, deren Gebläse da, wo sich der Wind hinter den Flügeln diagonal ausbreitet, pfeilförmige Streifen ins Gras presst.
    Sie steigen nach Westen auf, drehen über dem Wald ab und streifen fast die Baumwipfel. Im Überflug biegen sich die Pappeln am Hausboot im Wind. Gibbs drückt einen Flügel nach unten; einen Moment lang scheint die Maschine zu hängen, als wäre sie, wenn schon nicht physiologisch, so doch psychologisch noch mit der Erde verbunden. Serge spürt, wie sich die Schwerkraft um ihn spannt, als wäre sie ein Gummiband. Dann steigt der Flügel wieder, das Band zerreißt, und er wird mit dem Rücken voran in den Himmel geworfen. Es fühlt sich wie Fallen an, doch als fiele er aufwärts, als sauge ihn ein Wirbel an, der hoch über aller Höhe schwebt. Das Land fällt unter ihm fort, dehnt sich in der Fläche aus, noch während es schrumpft. Gibbs geht in die Waagerechte; das Land kippt, bis es horizontal liegt, und quillt unter dem Rumpf vor wie ein Lochstreifen aus einem Telegraphen, das flatternde Band der Lys rast neben einem breiteren Waldgürtel dahin, Dörfer und Weiler tauchen auf, punktieren den Streifen wie Nachrichten oder Börsenschwankungen, ehe Nieppe dann, ein großer brauner Fleck, alles andere an den Rand drängt. Eine Hitzeturbulenz schüttelt sie, als Gibbs die Maschine wieder hochzieht; das Land unter ihnen zittert, wird für einen Moment unlesbar, ehe es sich wieder horizontal unter Serge abspult, genau auf einer Linie mit dem Flugzeugheck. Die Turbulenzen dauern an, bis sie eine Dunstschicht durchquert haben, die bislang unsichtbar war: Das ist sie immer, solange man drinnen steckt. Als sie unter ihnen wegsackt wie ein pneumatischer Puffer, kann Serge ihren oberen Rand erkennen,
deutlich und klar umrissen, ein zweiter Horizont, der wie eine Musselindecke über dem ersten liegt.
    Sie fliegen an einem Drachenballon vorbei. Er scheint wie sie nach oben zu streben, am Windenseil zu zerren, das ihn an seinen Laster kettet. Serge winkt dem Mann im Korb zu; eine Hand des Mannes fliegt auf, um den Gruß zu erwidern, die andere umklammert das Korbgeländer, als müsse sie ihn zurückhalten. Zur Front kann es nicht mehr weit sein. Gibbs wendet, und Serge, der jetzt nach Osten blickt, schaut auf einen dunkleren, trüberen Dunstteppich hinab. Durch ihn hindurch blinzeln in einiger Entfernung die kleinen blauen Blitze vom Mündungsfeuer auf. Leuchtkugeln glühen über den Gräben. Zwei, drei Kilometer hinter der deutschen Linie sieht er die weißen Dampfwolken einer Lokomotive einen klar erkennbaren, seidigen Faden schnüren. Sein Blick wandert an den Gleisen entlang, an der Telephonleitung daneben, den Kabeln einer Brücke, einer Rohrleitung, die eine Weile über offenes Gelände führt, ehe sie sich eingräbt und ihr metallner, elektrischer Muskel in der Erde verschwindet. Eine neue Leuchtkugel steigt am Horizont auf, wird heller, blendet ihn, wärmt sein Gesicht: die Sonne. Serge holt seine Uhr heraus: zweiundzwanzig Minuten nach sieben; Zeit, die Signale zu testen…
    Er langt zwischen seine Beine und kurbelt die Antenne ab. Nach

Weitere Kostenlose Bücher