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Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)

Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)

Titel: Kabbala-Box (2 Romane in einem Band) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Regner
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machen, kann er zerbeißen was er will.
    In seinen Fressnapf gebe ich etwas Futter, dazu stopfe ich ihm – während er noch immer auf dem Geschirrtuch herumkaut – seine Tablette, die den Durc hfall verhindert, in sein Maul und streichle das faltige Ungetüm ein paar Mal quer über den Rücken. Er grunzt und schnarcht zugleich und ich sehe in seine treuen, dunklen Augen, die zu einem genüsslichen Zwinkern führen, wenn ich seinen faltigen Nacken ebenso durchknete.
     
    Gerade überlege ich mir, nachdem der Mops gerochen hat, dass es Fressen gibt, er aufspringt und den Fressnapf ansteuert, ob ich, anstatt laufen zu gehen, den Schießstand aufsuchen sollte. Es hätte sicherlich auch etwas sehr Befriedigendes, sich den Arzt bei jedem Schuss vorzustellen. Memo an mich: Schießstand in der Nähe ausfindig machen.
    Ich gehe in die Küche, trinke ein Glas Wasser, höre das Schmatzen und Kauen von Mopsi und mache mir einen starken Kaffee. Meine Beine tun mir ein bisschen weh und ich suche das Bad ezimmer auf, um mich zu wiegen. Gerade noch zweiundsiebzig Kilogramm bei einer Größe von hundertsechsundachtzig Zentimetern. Nicht auf das Essen verzichten, denke ich mir, der Arzt und ich liebten es abends gemeinsam vor dem Fernseher – oder einfach nur so – zu essen. Ein bisschen plaudern, ein bisschen Sex haben … das Leben zu zweit genießen. Wäre auch super gewesen, wenn da nicht die vielen Betrügereien hinter meinem Rücken stattgefunden hätten. Sonst wären wir das perfekte Paar gewesen. Ich muss mich durch meine eigene Gedankenscheiße wühlen. Mein Kopf ist eine öffentliche Toilette geworden, da ich mir selbst ins Hirn geschissen habe.
    Mir scheint, dass ich vom Arzt entführt worden bin, entführt in eine geisteskranke, gehirnlose Welt und ich leide deshalb unter dem Stockholm-Syndrom. Ich kann mir nicht erklären, wie ich mich sonst in meinen Entführer verliebt hätte.
     
    Schnell wird der Kaffee getrunken, die Zähne geputzt, im Badezimmerspiegel betrachte ich mich, schalte das Radio ein und es ertönt das Lied Don’t stop me now von Daniela Katzenberger ; ich sehe sie vor meinem geistigen Auge auf dem Luxusboot liegen, wie sie sich räkelt, eine schöne Frau mit vielen Talenten. „…don’t even think of holding me back! Nothing’s gonna stop me now.“
    Ich rasiere mich. Schon lange hab ich nicht mehr daran gedacht gehabt, mich wieder schön he rzurichten, nur für mich oder zum Fortgehen. Meine Aufmerksamkeit gebührt meinem Schwanz, nicht meinem Gesicht oder meinem Leben. Ich muss laufen, ich muss laufen. Schnell sind die Laufschuhe und die Trainingsjacke angezogen und ich denke an das Buch Born tu run von Christopher McDougall. Ich laufe!
    Draußen atme ich die kalte Luft ein, ich singe fast vor Freude, ich berühre den kalten Morgen und laufe schneller, ich möchte schnell warm werden, ich möchte einfach vergessen; aber zum Vergessen mache ich diesen Ausflug um 05:49 nicht. Es ist ein Lauf des Verstehens und des Vergebens. Obwohl das Verstehen der Quantentheorie in diesem Augenblick sicherlich leichter wäre. Ich habe einen Teil der Aufgabe, die ich mir selbst gestellt habe, schon erfüllt.
    Die Morgenstunden werden dunkler. Ich will nicht weinen, aber es drückt so erbärmlich und es schmerzt. Die Tränen wollen hinaus, sie wollen weg von mir und ich weine wieder.
     
    Ziemlich einseitig ist mein Lauf und er führt mich wieder direkt zum Haus des Arztes. Ich denke an Cora und dass man sich betrogene Ehefrauen nicht zu Feinden m achen sollte.
    Motto für die nächste Talkshow: Hilfe! Mein Ehemann ist schwul, ich erpresse ihn damit mich umzubringen, hasse mich, glaube an nichts mehr und seine große Liebe ist um 25 Jahre jünger als ich! R-E-S-P-E-C-T!
      Und ich stehe noch immer vor dem Haus, und es ist kalt, und ich hüpfe ein wenig, um mich warm zu ha lten. Fühle aber nichts. Wolltest du nicht jedes Mal eine Erinnerung loslassen? Denke ich mir so nebenbei. Stimmt! Ich bleibe ad hoc stehen, sehe die Fenster an und stelle mir die schlafenden Personen im Inneren des Hauses vor, wie sie langsam und ruhig ein- und ausatmen. Langsam und ganz allmählich überkommt – beinahe überströmt – mich dieses Gefühl des ruhigen Atmens ebenso. Ich lehne mich an die Hauswand an, sogleich fühle ich die Kälte der Wand, die sich auf meinen Rücken überträgt, aber es ist mir egal. Ich schließe die Augen. „Loslassen“, hauche ich wie von selbst und es kommt keine Erinnerung, die ich loslassen

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