Kabeljau und Kaviar
dem die Villa lag, mußte er entdecken, daß die
Frauen vom Party-Service und ein älteres Paar, offenbar Jessie und Rollo, die
einzigen waren, die sich überhaupt noch auf den Beinen halten konnten. Hester
Tolbathy versuchte zwar tapfer, die Stellung zu halten, doch Max konnte sehen,
daß sie sich auch nicht viel besser fühlte als die meisten ihrer Gäste.
»Ich weiß nicht, was mit uns allen los
ist«, klagte sie. »Wo ist Tom? Geht es ihm gut?«
Max antwortete ihr ausweichend. »Tom
ist immer noch im Zug. Er hat mich hergeschickt, um Ihnen auszurichten, daß er
bald selbst kommt. Es wird Sie sicher erleichtern, zu hören, daß Mr. Wripp
inzwischen von einem Krankenwagen abgeholt worden ist.«
»Und Wouter?«
Glücklicherweise brauchte Max auch
diese Frage nicht zu beantworten, denn in diesem Moment kam ein Mann, offenbar
der Hausarzt der Familie, auf Mrs. Tolbathy zugestürzt. Er wirkte erschöpft und
ziemlich erregt.
»Mein Gott, Hester, was haben Sie
diesen Leuten bloß zu essen gegeben?«
»Wir sind nur bis zum Kaviar gekommen.
Warum fragen Sie, Fred? Was ist denn los?«
»Das kann ich erst dann mit Sicherheit
sagen, wenn wir die üblichen Tests gemacht haben, aber die Leute hier zeigen alle
Symptome einer akuten Arsenvergiftung.«
»Arsen? Aber wie ist denn das möglich?
Oh mein Gott, Fred, bitte entschuldigen Sie mich!«
Die Hand fest gegen den Mund gepreßt,
eilte Hester Tolbathy aus dem Zimmer. Der Arzt machte Anstalten, ihr zu folgen,
doch Max hielt ihn am Ärmel fest.
»Einen Moment, Doktor. Tom Tolbathy hat
mich geschickt, damit ich herausfinde, was hier vorgeht. Wie kommen Sie auf
Arsenvergiftung?«
»Ich habe nicht behauptet, daß es
Arsenvergiftung ist. Ich habe lediglich gesagt, daß alles darauf hindeutet.
Erbrechen, Durchfall, Brennen im Hals und auf der Haut, extremes Schwächegefühl
— das sind die typischen Symptome. Und wie fühlen Sie sich?«
»Gut«, teilte ihm Max mit.
»Aber Sie waren doch auch auf dieser
Party. Haben Sie denn nicht dasselbe gegessen wie alle anderen?«
»Nein, das habe ich nicht. Ich hatte
lediglich einen kleinen Scotch mit Soda. Die meisten Gäste tranken Champagner
und aßen Kaviar, aber ich mache mir aus beidem nichts.«
»Und was ist mit den drei
Serviererinnen oder wer immer sie sind? Die Frauen in den schwarzen Kleidern.
Haben die davon gegessen?«
»Kann ich mir nicht vorstellen.«
Max beschrieb die Zeremonie mit dem
Tafelaufsatz. Der Arzt griff sich Marge, die gerade mit einem Stapel sauberer
weißer Handtücher an ihnen vorbeieilen wollte.
»Einen Augenblick. Haben Sie von dem
Kaviar gegessen?«
»Wie bitte?« Marge blinzelte und
schüttelte dann den Kopf. »Ach so, ich verstehe. Nein, ich habe davon nichts
gegessen und bin mir ganz sicher, daß die beiden anderen ihn auch nicht angerührt
haben. Die Büchse wurde ja erst vor den Augen der Gäste geöffnet, und der
Kaviar wurde dann sofort serviert, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Verstehe. Wurde sonst noch etwas
gereicht?«
»Nur Brot und Melba-Toast und die
üblichen Beilagen. Süße Butter, gehackte Zwiebeln und passiertes Eigelb.«
»Haben Sie die Beilagen zubereitet?«
»Nein, Mrs. Tolbathy hatte alles
servierfertig zum Zug gebracht, wir mußten es lediglich auf die Schüsseln
verteilen.«
»Hätte sich jemand im Zug heimlich
daran zu schaffen machen können?«
»Das glaube ich kaum. Alles war in
luftdicht verschließbaren Plastikschüsseln verpackt, und die haben wir nicht
aufgemacht, ehe wir mit dem Anrichten anfingen. Wir drei waren im selben Raum,
wir haben alle im Dienstabteil gearbeitet, wo auch die Schüsseln standen. Außer
dem Barkeeper hat niemand den Raum betreten. Er hat die Oliven, die
Limonenscheiben und die Sachen für die Bar abgeholt, aber er ist nie in die
Nähe der Speisen gekommen.«
»Oliven und Limonen zählen nicht zu den
Speisen?«
»In diesem Fall wohl kaum. Er brauchte
sie nur von einem besonderen Tablett am anderen Ende der Arbeitsfläche zu
nehmen und wieder zu gehen. Ich glaube nicht, daß er viel von dem Zeug benutzt
hat, aber Sie können ihn ja fragen.«
»Das werde ich. Und wer hat die
Beilagen zum Kaviar serviert?«
»Das war ich. Das heißt, ich habe sie
aus den Plastikbehältern in die Schüsseln umgefüllt, die auf den Tafelaufsatz
paßten. Ein Mann, der sich als Sommelier ausgab, ist gekommen und hat sie in
den Speisewagen getragen.«
»Haben Sie gesehen, wie er dort
serviert hat?«
»Ich selbst leider nicht, aber meine
beiden
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