Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
paar Sekunden zurück.“
Der Techniker tat, wie ihm geheißen. Die vorherige Szene wiederholte sich.
„Aufnahme stoppen.“ Bernhard deutete auf den Monitor. „Dort, unterhalb der Laterne.“
Anna kniff die Augen zusammen. „Du meinst, das ist unser Mann?“
Bernhard wandte sich dem Techniker zu. „Können Sie diesen Bildausschnitt vergrößern?“
„Ja, einen Moment.“
Augenblicke später füllte das gewünschte Detail den gesamten Monitor aus. Bernhard war von der Qualität der Aufnahme beeindruckt. Man konnte die einzelne, augenscheinlich männliche Person klar erkennen, auch wenn die Gesichtszüge unter dem Cluster digitaler Pixel verschwammen. Der Mann trug einen schwarzen Anzug mit weißem Kragen – eine Soutane.
Seilbahn GmbH Kitzbühel, Besprechungsraum
Samstag, 6. Januar, 11:08 Uhr
„Hallo?“, meldete sich eine unbekannte Stimme über Funk. Wilhelm kniff die Augen zusammen, trat neben Franz und beugte sich über das Funkgerät. „Moritz, bist du das?“
„Ja. Das Mobilfunknetz ist kollabiert. Ich bin im Kontrollrau…“ Eine Abfolge von Knacklauten unterbrach die Verbindung. „…ergewagen ist zurückgekommen, aber ohne Kabine. Der Fahrer war ohnmächtig. Haben ihn herausgezo…“ Abermaliges Krachen. „… keinen Puls. Reanimation zeigt bislang keine Wirkung. Derzeit starker Schneefall und Orkanböen, Sichtweite unter hundert Meter. Passagiere und Schifah…“ Ein Surren, wie von einem Handmixgerät. „… Panik nicht auszuschließen. Wir sind nicht genug Leute. Was sollen wir tun?“
Im Besprechungsraum war es bis auf das beständige Knistern in der Funkleitung totenstill.
„Wo ist Natascha?“ Franz’ Stimme war rau und kratzig. „Die Frau im Bergewagen.“
„Keine Spur von ihr. Sie ist nicht in die Station zurückgekehrt.“
Wilhelm ergriff das Wort. „Fordert umgehend Unterstützung durch Gruppe zwei und drei an. Die Person mit Kreislaufstillstand muss auf dem schnellsten Weg ins Tal gebracht werden. Eine Helikopterbergung ist bei dem Wetter nicht möglich. Martina und Richard sollen einen ersten Trupp von zwanzig Schifahrern ins Tal begleiten. Nehmt die vierunddreißiger Piste, die sollte windgeschützt sein. Dann müssen wir …“
Franz hörte kaum hin, als Wilhelm weitere Anweisungen gab. Einer seiner Mitarbeiter war vermutlich tot. Eine andere verschollen. Mehrere Kabinen hingen schutzlos im Orkansturm. In einer davon harrte eine unbekannte Anzahl Passagiere ihrer Rettung; Rettung, die nicht so rasch eintreffen würde. „Ich bin sofort wieder da“, sagte Franz und eilte aus dem Besprechungsraum. Seine Hände zitterten so stark, dass er es nicht mehr verbergen konnte. Er hastete auf die Toilette und schloss sich auf einer Latrine ein. Mit bebenden Fingern kramte er die kleine Ampulle aus seiner Hemdtasche und entnahm ihr drei weiße Kapseln. Er wusste, dass diese Dosis zu hoch war. Aber er durfte die nächsten Stunden keine Anzeichen von Schwäche erkennen lassen. Franz ahnte, dass seine Karriere am seidenen Faden hing. Oder nicht nur seine Karriere. Sein ganzes Leben.
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Talstation
Samstag, 6. Januar, 11:18 Uhr
„Hallo Benjamin“, sagte Franz über Funk. „Ich muss dir …“
„Wir haben die Bergung abgebrochen“, kam ihm Benjamin zuvor. „Derzeit gibt es hier Windspitzen um einhundertzwanzig Kilometer pro Stunde, für die Bergewagen zu riskant. Habt ihr Kontakt zu Natascha und Jürgen? Konnte sie per Funk nicht erreichen.“
„Nun, es gab …“
„Auf alle Fälle dürfen sie nicht wieder hinausfahren. Der Pengelstein ist exponierter, da sind die Böen noch stärker. Im Moment können wir keine weiteren Bergungen durchführen, wenigstens nicht mit den Bergwagen. Wir sollten …“ Erst jetzt fielen ihm die ungewohnte Stimmlage des Betriebsleiters und die erregten Gespräche im Hintergrund auf.
„Es gab einen Unfall“, sagte Franz.
Benjamins Muskeln verkrampften. Er hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen.
„Jürgen hat einen Herz-Kreislaufstillstand erlitten. Er konnte noch nicht reanimiert werden. Natascha ist verschwunden.“
„Verschwunden?“, murmelte Benjamin. „Was soll das heißen?“
„Sie ist nicht mit dem Bergewagen in die Station zurückgekehrt.“
Benjamins Gedanken liefen wie durch zähen Sirup. Er fühlte jeden Herzschlag überdeutlich, als wären sie die harten, dröhnenden Klänge einer japanischen Taiko-Trommel. Ein feuriger Schmerz durchzuckte sein Herz, brannte sich durch seine Adern
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