Kälteeinbruch (German Edition)
ihn seine Frau, den Sohn und die beiden Töchter nahm sie mit. An die Stelle der Frauen trat der Alkohol. Und als der Alkohol seine wohltuende Wirkung verlor, begann Adam Heroin zu rauchen. So war er über Nacht vergessen. Niemand sprach mehr von Adam Miller. In den darauffolgenden fünf Jahren war er oft Tage am Stück auf Drogen. Dann ging ihm das Geld aus. Seine Sportwagen hatte er längst in Stoff umgesetzt, einzig und allein das Haus war ihm noch geblieben. Zu allem Überfluss bekam seine Frau vor Gericht recht, und er verlor das Umgangsrecht mit seinen Kindern.
Mit siebenundzwanzig Jahren hatte er alles erreicht, was er sich wünschen konnte, war zum Volkshelden avanciert. Drei Jahre später hatte er alles verloren. Er hatte alles kaputt gemacht, und ein Comeback war der einzige Weg, seine Selbstachtung zurückzugewinnen und die Kinder wiederzusehen.
Adam warf einen Blick auf den Computerbildschirm auf seinem Schreibtisch. Noch immer keine Mail aus Moskau. Er ging neben dem Hund in die Hocke. Strich ihm über den Kopf und kraulte ihm den Nacken. Der Hund schloss die Augen.
Er konnte sich noch genau an die Stimmung erinnern. An die Erwartungen des Publikums, als er aus der Garderobe kam und in den Ring stieg. Wie die Arena in einem wilden Durcheinander von Rufen und Fußgetrappel explodierte, als er vorgestellt wurde. Dann kam nichts mehr. Alles schwarz. Wie aus dem Gedächtnis gelöscht. Als hätte es nie stattgefunden. Später hatte man ihm erzählt, dass er einfach nur dagestanden, ein Dutzend Schläge kassiert hatte, bis sein Gegner kurzen Prozess machte – k.o. Die Boulevardzeitungen brachten die Skandalmeldung in überdimensionalen Lettern.
Knock-out for comeback, Miller was high – in his mind
, und ähnlich vernichtende Schlagzeilen. Die Journalisten behaupteten, er habe vor dem Kampf Heroin geraucht. Adam gab es nie zu, aber die Presse hatte recht. Er war so breit gewesen, dass er nicht einmal kapiert hatte, dass er im Ring stand.
Das Honorar für seinen letzten Kampf und die Villa, in der er in den vergangenen fünf Jahren gewohnt hatte, schenkte er seiner Mutter. Dem einzigen Menschen, der die ganze Zeit hinter ihm gestanden hatte. Und die ihm nun riet, wegzugehen und seine Aggressivität und sein Können anderweitig zu nutzen. Das war 1979 . Zwei Tage später saß er im Flieger nach Südafrika. Weit weg von seiner jüngsten Vergangenheit. Anfangs hoffte er, dass dort alles schnell vorbei wäre. Nicht der Krieg, sondern er selbst. Er vermisste die Drogen und wusste, dass man ihm den Kontakt zu seinen Kindern vermutlich ohnehin nie wieder gestatten würde. Dummerweise war er im Krieg noch besser als im Boxring. Der Rausch, den er beim Töten eines Feindes empfand, entwickelte bald eine weitaus stärkere und befriedigendere Wirkung, als ein Herointrip dies je vermocht hätte.
Der PC meldete den Eingang einer neuen Mail. Adam strich dem Hund noch einmal über den Kopf und den muskulösen Körper, dann war er in drei großen Schritten am Computer. Er starrte auf das verschlüsselte, internetbasierte E-Mail-Konto, das den ganzen Bildschirm ausfüllte. Die Mail stammte von dem Russen, dem er am Abend zuvor geschrieben hatte.
Finally.
Mr. Miller,
Doskino, or Stanislav Dyalov which is his real name, is a Russian drug trafficker who mainly works from Lithuania and Romania. He calls himself Doskino after a small Russian town where he also was born. He deals mostly with methamphetamine. Lately he’s got involved with human trafficking as well. Mostly children, I’m being told. Still, he’s a nobody. You and the Lieutenant got business going on with him? I advise you not to. There’s not a thing he can do for you, that we can’t. And probably for a much better price.
Visaly
Adam druckte die Mail aus und ging die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Es war mehr als zwanzig Jahre her, seit hier zuletzt Heu, Traktoren und landwirtschaftliche Geräte aufbewahrt wurden. Der breite, rechteckige Raum war zu einer Garage mit einer elektrischen Hebebühne am hinteren Ende umgebaut worden. Adam überquerte rasch den vom Schnee geräumten Hof und betrat das Hauptgebäude. Dort zog er die Schuhe aus und stellte sie ordentlich ins Schuhregal.
Peter Jäckel, «der Leutnant», betrachtete gerade eine Reihe von Fotografien, die an der Wand hingen. Bilder aus einer Zeit, als Simbabwe Rhodesien hieß und seine alte Schönheit noch besaß. Eins zeigte ihn mit ihr, die viel zu kurz die Frau an seiner Seite gewesen
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