Kälteeinbruch (German Edition)
war. Auf einer Farbfotografie posierte er in Shorts und einem Hemd in Tarnfarben mit vier Freunden von den Selous Scouts. Alle fünf machten ernste Gesichter, alle hatten ein Gewehr in der Hand. Daneben hing ein Schwarz-Weiß-Bild, das drei dunkle Köpfe mit schwarzen, krausen Haaren zeigte. Die Köpfe waren von den Körpern abgetrennt. Der mittlere gehörte dem Mann, der die Frau vergewaltigt und getötet hatte, der es nicht mehr vergönnt gewesen war, seine Ehefrau zu werden, obwohl sie diesen Wunsch wiederholt geäußert haben musste. Die beiden anderen Köpfe gehörten denen, die währenddessen Wache gehalten hatten. Er hatte nie einem Menschen erzählt, was es mit dem Bild auf sich hatte. Nicht einmal Adam. Und dabei sollte es auch bleiben. Sein Blick glitt weiter zu den nächsten beiden Bildern. Sie zeigten die afrikanische Natur.
Wie er dieses Land liebte. Rhodesien war für ihn der schönste Ort auf Erden gewesen. Und er würde zurückkehren. Nicht nach Rhodesien – vermutlich würde er nicht ertragen, was Mugabe aus dem Land gemacht hatte –, aber nach Südafrika. Dort wollte er seine letzte Mahlzeit einnehmen. Zum letzten Mal die Augen aufschlagen, seinen letzten Atemzug tun.
Die Bürotür ging auf. Adam blieb auf der Schwelle stehen.
«Peter?»
Seine Stimme klang beunruhigt. Der Leutnant knurrte ein Ja, während er die aktuelle Ausgabe des
Aftenposten
durchblätterte.
«Dieser Doskino. Ich hab mich ein wenig umgehört.»
«Aus welchem Grund, Adam?» Der Leutnant blickte auf.
«Er verdient sein Geld mit Schwarzhandel.»
«Wie wir vermutet haben.»
«Menschenschmuggel, heißt es.»
«Wer behauptet das?», fragte der Leutnant ungerührt.
«Ich habe mit Moskau gesprochen», Adam wedelte mit der ausgedruckten Mail, «die kennen ihn recht gut. Kriegt wohl auch seinen Teil vom Kuchen. Schreiben auch, dass er vor allem mit Kindern handelt.»
«Was für eine widerliche Kreatur», bemerkte der Leutnant abschließend. «Ein Mann ohne Ehre.» Sein Blick senkte sich wieder auf die Zeitung.
«And that’s it?», Adam Miller verfiel plötzlich in seine Muttersprache.
«Ja, Adam –
that’s it
. In diesem Sumpf sollten wir nicht weiter rumstochern.» Der Leutnant blätterte um.
«Du hast es gleich gewusst, stimmt’s?» Kurze Pause. «Du wusstest, womit er sein Geld verdient?»
«Nicht als er anrief. Hab es erst nach dem Frühstück rausgefunden.» Er schielte auf seine Zeitung. «Hm.»
«Are you fucking kidding me?» Adam hob jetzt die Stimme. «It’s children, for God’s sake!»
«Adam. Das ist der Preis für das Leben, das wir gewählt haben. Das ist Business, und das weißt du so gut wie ich. Diese Dinge geschehen pausenlos, auch bei uns hier oben im Norden.» Er blätterte zur nächsten Seite. Beugte sich über die Schreibtischplatte und las angestrengt. Dann sagte er: «Es bekommt nur eine andere Qualität, wenn es vor unserer Haustür geschieht. Aber egal: Da kann man nichts machen.»
«Ich kann die Sache auch ohne dich ins Reine bringen, das mach ich mit links. Du wirst nichts davon mitbekommen.»
«Hm.» Er hielt den Blick auf die Seite mit den diesjährigen Tipps für Weihnachtsgeschenke gerichtet. «Das weiß ich, Adam, ich sage trotzdem nein.»
Ohne aufsehen zu müssen, wusste der Leutnant, dass Adam den Kopf schüttelte. «Ich bin derjenige, der unser kleines … Unternehmen leitet, Adam. Richtig oder falsch, die Entscheidungen treffe ich. Das war immer so.»
Er wartete auf ein zustimmendes Okay, vergebens. Die Bürotür schloss sich mit einem Knall.
Kapitel 19
Ungefähr zur selben Zeit, als Adam Miller die Mail aus Moskau erhielt, fiel Anton auf, dass es noch eine Instanz gab, bei der er Herlov Langgaard nicht überprüft hatte. Flugs schickte er eine SMS an seinen alten Klassenkameraden, der für ihn bereits die diversen Register des Inlandsgeheimdienstes nach dem neuen Lebensgefährten seiner Frau durchforstet hatte, und bat ihn um Rückruf.
Eine Viertelstunde später hatte er noch immer keine Antwort erhalten. Ungeduldig starrte er auf das Display und sah ein, dass er besser angerufen hätte.
Magnus Torp lenkte den Passat auf den Parkplatz hinter den Bäumen unterhalb von Viggo Holms Haus. Vier Autos parkten bereits dort. Alle standen mit dem Kühler zu dem Gebäude, das sich neben einem Lagerplatz für Container erhob. Torp brachte den Wagen zum Stehen und zog die Handbremse.
«Was ist das da drüben?», fragte Anton von der Rückbank aus und zeigte auf das Gebäude.
«So
Weitere Kostenlose Bücher