Kälteeinbruch (German Edition)
Spiegelreflexkamera kauft und meint, er sei Fotograf.» Er sah sie eindringlich an. Als musterte er sie von oben bis unten. «Du solltest mal in meinem Studio vorbeischauen, dann machen wir ein paar richtige Bilder. Was Stilvolles. Du weißt schon, it’s all about taste. If you are cheap, nothing helps.»
«Sieh an, sieh an», sagte Nils. «Mein guter Freund zitiert Karl Lagerfeld. Dreimal dürft ihr raten, wer ihn mit Kaiser Karl bekannt gemacht hat.»
«Bist du denn teuer?», wollte die Blondine wissen.
«Bestimmt teurer als der Hobbyfotograf, dessen Dienste du jetzt in Anspruch nimmst.»
«Du bist jede Krone wert», warf Nils ein.
«Vielleicht komm ich ja mal vorbei», sagte sie.
Nils war das Fotogerede leid. Er schob der Brünetten den Spiegel zu. «Teste mal.»
Sie zuckte mit den Schultern.
«Keine Lust? Ich werde dich nicht zwingen.»
«Keine Lust?» Die Blondine lachte höhnisch. «Sie liebt das Zeug.»
«Okay? Und was ist dann das Problem?»
Die Brünette sah den Fotografen an und legte die Stirn in Falten.
Nils lachte. «Der Typ ist ungefährlich. Den kenn ich schon seit zehn Jahren.» Er rief wieder: «Hörst du das? Nur weil du so kreuzanständig bist, denkt unsere Schmalspur-Megan-Fox, dass du von der Polizei kommst. Schnüfflerschwein!» Jetzt lachte er laut. Dann wanderte sein Blick wieder zu der Brünetten. «Du bist ja noch paranoider als ich. Also, bedien dich ruhig, wenn du doch noch Lust bekommst.»
Im Flur erklang viermal lautes Klingeln.
Der Fotograf drehte sich zum Sofa. «Na, die sind ja geradezu überpünktlich.»
Die Blondine genehmigte sich noch eine kleine
Line
, dann eilte sie in den Flur, um die beiden Journalisten hereinzulassen.
Nils grinste. «Was soll man vom Spießer-Proletariat auch groß anderes erwarten, Hans Petter? Fuck’em.»
«Von wem?»
«
Vom Proletariat.
Ich lese mir alte Wörter an, die wir nicht mehr verwenden. Wörter, die am Aussterben sind. Jeden Tag ein neues Wort. Gestern habe ich herausgefunden, dass ich Autodidakt bin.»
«So?»
«Ja. Jemand, der sich sein Wissen selbst aneignet. Stilvoll, was?»
Der Fotograf schmunzelte. «Ja, in der Tat. Und was bedeutet Prolariat?»
«
Proletariat
, Hans Petter. Du musst mir schon zuhören, wenn ich mit dir rede. Die Arbeiterklasse. Ich hasse sie, und wie. Die da unten. Das Fußvolk.»
«Du bist geschmacklos.»
Er wischte die Bemerkung mit der Hand weg. «Was für ein Zeug! Was für eine Qualität! Ich fahr heute Abend noch mal hin und kauf ein halbes Kilo, dann bin ich eine Weile versorgt. Hab nämlich Lust auf mehr. Einfach so. Auch weil ich es mir leisten kann. Vielleicht vor allem deshalb.» Er brach in schallendes Gelächter aus.
Der Fotograf schüttelte den Kopf. Nils sprang vom Sofa auf. Machte sechs Schritte in den Raum und boxte neben dem Mann mit der Kamera in die Luft.
«Eye of the fucking tiger, Hans Petter.»
«Rocky … Jetzt sind sie da», sagte die Blondine hinter ihm. Sie hatte sich schon aufs Sofa gesetzt und damit begonnen, eine neue
Line
vorzubereiten.
Nils drehte sich um. Breitete die Arme aus und grinste. «Willkommen.»
Die beiden nickten höflich.
«Und das, obwohl ihr», er sah auf die Armbanduhr, «ganz schön spät dran seid. Aber lasst mich raten. Sverre und Thomas, richtig?»
Die beiden sahen sich an und nickten lächelnd.
Er zeigte auf den einen. «Du bist Sverre», sein Arm wanderte weiter, «und du Thomas. Stimmt’s?»
Sverre nickte.
«Um es kurz zu machen, genau so habe ich mein Geld verdient», sagte er und ging ihnen entgegen. «Mit meiner Intuition.» Er forderte die Blondine auf, ein Stück zu rutschen und ihren Konsum etwas einzuschränken, und ließ sich wieder aufs Sofa sinken. «Kann ich euch ein bisschen weißes Gold aus Südamerika anbieten? Ausgezeichnete Qualität.»
«Nein, danke», antwortete Sverre. «Nicht bei der Arbeit.»
Der Fotograf am anderen Ende des Zimmers gluckste und zeigte den beiden den Daumen.
Nils seufzte und scherzte: «Ich musste natürlich die beiden größten Spaßbremsen der ganzen verdammten
MANN
-Redaktion abbekommen.»
Thomas kicherte und schien sich mehr für die Mädchen zu interessieren als für Nils.
Nils starrte Sverre an. Musterte sein Gesicht. Der Mann hatte das strahlendste Lächeln, das er je gesehen hatte. Schönere, ebenmäßigere und weißere Zähne als irgendjemand sonst – ihn selbst eingeschlossen. Und seine eigenen waren teuer bezahlt.
«Was für Zähne, Sverre. Bleichst du die?»
Sverre lächelte.
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