Kaelter als dein Grab
schlimmer wurde, waren sie hier vermutlich ganz gut aufgehoben.
Als er die Wagentür öffnete, schlug ihm der steife Nordwind wie ein Eimer Eiswasser ins Gesicht. Da er wusste, dass sein Körper während der langen Fahrt steif geworden war, ließ er sich vorsichtig vom Sitz gleiten. Ohne jede Vorwarnung gaben seine Beine nach. Mit verzerrtem Gesicht fiel er auf die Knie.
„Jake!“
Leigh lief vorne um den Wagen herum und kniete sich neben ihn. „Mein Gott! Was ist passiert?“
„Verdammt, es geht mir gut.“ Verlegenheit ließ seine Stimme rau klingen.
„Oh ja, das sehe ich, dass es dir gut geht.“
„Mein Bein war nur steif geworden, das ist alles.“ Doch einen unangenehmen Moment lang war er nicht sicher, ob er wieder auf die Füße kam. Und er fragte sich allmählich, ob die Schusswunde doch ernster war, als er angenommen hatte. Sobald er das Bein belastete, krallte sich der Schmerz in ihm fest wie eine reißende Bestie.
„Komm, ich helfe dir.“
Er wollte sie schon zurückweisen, doch als er die Sorge in ihren Augen sah, erstarben die Worte in seiner Kehle. Plötzlich bemerkte er, dass sie ihm die Hände auf die Schultern gelegt hatte. Er wusste, dass es angesichts derUmstände merkwürdig war, doch es gefiel ihm, dass sie ihn berührte. Es erinnerte ihn daran, wie er sich vor sechs Jahren gefühlt hatte, wenn sie ihn berührte. Es war eine Art von Berührung gewesen, die ein Mann niemals vergaß.
„Ich schaff das schon.“ Er schüttelte ihre Hände ab und zog sich am Türgriff empor.
„Finden wir dort drin das Notwendigste? Fließendes Wasser? Decken?“
Er deutete zum Heck des Hummer. „Dort hinten ist ein Erste-Hilfe-Kasten. Und auch eine Decke. Bring sie mit. Ich checke schon mal, ob das Haus wirklich sicher ist.“
Jake humpelte zu der Veranda an der Rückseite des Hauses und versuchte die Tür zu öffnen. Es überraschte ihn nicht, dass sie verschlossen war. Als er sich umsah, erblickte er eine Kehrschaufel und schlug mit ihr die Glasscheibe direkt neben dem Türknauf ein. Dann griff er durch das Loch, zog den Riegel zurück und öffnete die Tür.
Ihm fiel auf, dass es in der Küche fast ebenso kalt war wie draußen. Immerhin aber bot sie Schutz vor dem Wind. Die Möbel stammten noch aus den Siebzigerjahren und waren mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Das weiße Porzellanbecken wies einige abgeschlagene Stellen auf. Das Linoleum am Boden war völlig abgenutzt und rollte sich an den Ecken auf. Er ging zur Spüle und drehte den Hahn auf, aus dem es sofort spritzte. Immerhin hatten sie Wasser.
Er humpelte ins Wohnzimmer. Die großen Fensterwaren stark verschmutzt und mit hauchdünnen Vorhängen verhängt, durch die ein wenig Licht fiel. Doch man brauchte nicht viel Licht, um zu bemerken, dass man diesen Ort schon lange dem Verfall überlassen hatte. Dennoch war Jake dankbar, ein Dach über dem Kopf zu haben.
An den hohen Decken befanden sich Wasserflecken. Teilweise war der Putz abgebröckelt und auf den Boden gefallen. Ein aus zerbröckelnden Ziegeln gemauerter Kamin bildete den Mittelpunkt des Raums. In der Ecke stand ein alter dickbauchiger Ofen. Das einzige Möbelstück war ein Tisch, der so aussah, als hätte man ihn als Werkbank benutzt.
Nicht das Ritz-Carlton, doch es musste reichen.
Jake ging zur Vordertür, öffnete sie und blickte hinaus. Erleichterung überkam ihn, als er das unordentlich gestapelte Feuerholz sah. Wenn sie sparsam damit umgingen, konnte es für die ganze Nacht reichen.
Um den Gedanken daran abzuschütteln, mit Leigh die Nacht in einem kalten Farmhaus zu verbringen, humpelte er zu dem Holzstapel und griff so viele Scheite, wie er mit beiden Armen tragen konnte. Er schloss die Tür hinter sich ab und ging hinüber zur Feuerstelle. Ein Anflug von Schwindel überkam hin, als er sah, dass Leigh im Türrahmen zur Küche stand. Er war nicht sicher, ob es an der Schusswunde lag oder an der Wirkung, die sie immer auf ihn ausübte, doch es reichte, damit ihm der Schweiß ausbrach.
„Ich mache ein Feuer“, sagte er.Rasch legte sie den Erste-Hilfe-Kasten auf den Tisch und ging zu ihm. „Ich helfe dir.“
Er wollte ihre Hilfe nicht. Es gefiel ihm nicht, wie er auf sie reagierte. Doch der Schmerz rang seinen Stolz nieder, und er ließ es zu, dass sie ihm etwas von dem Feuerholz abnahm.
„Bist du sicher, dass wir nicht verfolgt wurden?“, fragte sie.
„Das bin ich.“
„Wie lange werden wir hierbleiben?“
„Lange genug, um meine Wunde zu reinigen und
Weitere Kostenlose Bücher