Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
gewiß», sagte Dancer. «Und zwar sofort.»
Das Pärchen wechselte ein paar scheue Blicke und kicherte.
«Treten Sie ein», sagte Ebbs.
Noch immer Hand in Hand, standen sie nun inmitten seiner Kabine.
«Aber warum konnten Sie nicht heiraten, bevor Sie an Bord kamen?» fragte er bestürzt. «Damals kannten wir uns doch noch gar nicht.»
«Soll das heißen - Sie beabsichtigen doch nicht, schon nach ein paar Tagen flüchtiger Bekanntschaft -»
«Nicht einmal nach ein paar Tagen, Kapitän», lachte Dancer neuerlich. Er war ein schlanker, hübscher Bursche mit blondem Haar und tadellosen Zähnen. «Wir sind einander erst heute abend beim Dinner richtig begegnet», erklärte er. «An Ihrem Tisch, wie Sie wissen. Aber wir haben uns prächtig verstanden, sehen Sie, und... und... glauben Sie an Schicksalsbestimmung, Kapitän?»
Ebbs, der inzwischen sein Haar glättete, schüttelte entmutigend den Kopf.
«Na, hier auf dem Bootsdeck», fuhr Dancer fort, «mit den Sternen und dem Mond, wissen Sie, und dem Meer, das da weit unten rauschte, und Annettes Haar, das in all den Lichtern schimmerte...» Die Erinnerung an diese mächtige Gefühlswallung übermannte ihn plötzlich. «Ich erkannte sofort... wir beide, will ich sagen... nicht wahr, Liebste?» keuchte er und preßte heftig ihre Hand.
«Du Engel!» flüsterte sie. Sie umschlangen sich innig.
Ebbs hatte ja schon so manches über Romanzen an Bord gehört, aber das Tempo dieser da schien ihm doch mehr einem Bauernhof angemessen.
«Ich fürchte, Sie werden mich für eine derartige Situation einigermaßen unvorbereitet finden», sagte er und fragte sich, was er wohl zunächst tun solle. «Ich bin seit vielen Jahren eingefleischter Junggeselle und weiß in solchen Dingen sehr wenig Bescheid. Trotzdem erachte ich es als meine Pflicht, als Kapitän dieses Schiffes Ihrer Forderung nachzukommen. Solange diese einwandfrei korrekt und angemessen ist, meine ich selbstverständlich.»
Da die beiden keine Notiz von ihm nahmen, griff er nach dem schweren Band der «Vorschriften der Pole Star Line», der neben der flaggenverzierten Schiffsbibel in seinem Bücherregal stand. Er schlug ihn voll der Hoffnung auf, daß die Autoren einen weitreichenden Blick für alle jene Fälle besessen hätten, die an einen Kapitän auf hoher See herantreten können. Ebbs war ein gutherziger Geselle, der sich gerne mit großzügigen Spenden an den Hochzeitsgeschenken für seine Kameraden beteiligte, doch augenblicklich hatte er nur den einen Wunsch, zu Bett zu gehen, und war der Ansicht, daß ihm noch nie ein so widerwärtiges Paar unter die Augen gekommen war.
«Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht dienen», verkündete er, indem er die Seiten überflog. «Es ist lediglich ein weitverbreiteter Aberglaube, daß Kapitäne auf hoher See Trauungen vornehmen können. Sehen Sie, hier steht's schwarz auf weiß.» Er deutete auf den betreffenden Abschnitt und fühlte sich wesentlich erleichtert.
Ihre Gesichter zogen sich in die Länge.
«Oh, wirklich nicht, Kapitän?»
«Aber das ist doch bestialisch gemein!»
«Ha!» rief Dancer, von einem glänzenden Einfall erleuchtet. «Könnten wir nicht einen von diesen Kerlen, diesen Pfarrern an Bord, aufwecken? Oder alle sechse, noch besser?»
«Ich fürchte, auch dies hätte nicht den geringsten Sinn, Mr. Dancer. Es dürfen einfach auf Handelsschiffen während der Fahrt keine Eheschließungen vorgenommen werden. Ich kann Ihnen versichern, daß ich die Vorschriften äußerst gewissenhaft durchgelesen habe. Das Schiff bedürfte zu diesem Zweck einer Art Lizenz. So ähnlich wie das Desinfektions-Zertifikat», erklärte er.
Sie sahen wie Kinder drein, denen man Süßigkeiten abgeschlagen hat.
«Ich könnte möglicherweise die Erlaubnis erlangen, auf See das Aufgebot zu machen», sagte Ebbs, der, in der Hoffnung, ihnen noch irgendeinen Trost bieten zu können, ein paar weitere Seiten nachschlug. «Vielleicht wäre etwas in Port Said oder Aden zu machen - in beiden Städten scheint es eine Menge englischer Geistlicher zu geben. »
«Aber ich möchte heute nacht heiraten!» rief Annette. Dann brach sie in Tränen aus.
«Gott steh mir bei!» stammelte Ebbs. Mit einemmal gedachte er sehnsuchtsvoll der Martin Luther: auf der war er fast jede Nacht wegen irgendeines technischen oder nautischen Fehlers aus der Koje geschleppt worden, doch es war wenigstens unmöglich gewesen, daß seine Kabine um drei Uhr morgens von hysterischen Weibsbildern gestürmt
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