Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
ganz erfolglosen Kapitän bezeichnen könnte?»
«Aber gewiß, Sir! Für mich ist es jedenfalls ein großes Vergnügen gewesen, unter Ihrem Kommando zu dienen.»
«Vielen Dank, Zahlmeister, vielen Dank!»
«Ich hoffe, Sir, daß ich dies noch viele Jahre tun kann.»
«Ganz meinerseits.»
«Überaus liebenswürdig von Ihnen, Sir. Ich möchte Sie bitten, heute abend als Zeichen meiner persönlichen Ergebenheit Champagner für Ihren Tisch entgegenzunehmen.»
«Aber, aber...»
«Ich gebe ihn Ihnen viel lieber, als ihn unangetastet auf dem Schiff liegenzulassen.»
«Meinen Sie damit, daß niemand an Bord Champagner trinkt?»
«Absolut niemand, Sir. Auf dieser Fahrt scheinen die Passagiere ganz den Geschmack dafür verloren zu haben.»
«Bei Zeus, Zahlmeister», sprach Ebbs voll Wärme. «Überlassen Sie das mir - ich werde allen Leuten sagen, was für einen feinen Champagner wir an Bord haben, und sie werden ihn beim Tanzen dutzendweise bestellen.»
«Das wäre äußerst gütig von Ihnen, Sir.»
«Mit dem größten Vergnügen, mit dem größten Vergnügen!» Unten ertönte der Gong. «Was, schon Lunchzeit? Wie die Zeit verfliegt! Kommen Sie lieber vor dem Dinner zu mir. Ich möchte mich den ganzen Nachmittag ausruhen.»
«Leider ist das nicht möglich, Sir. Heute nachmittag findet die Kinderjause statt, Sir.»
«Ach, die Kinderjause.» Eine schwarze Wolke verdunkelte die Sonne an Ebbs' Himmel. «Muß ich denn wirklich daran teilnehmen? »
«Ich glaube, daß Lady McWhirrey ausdrücklich Wert darauf legt, Sir.»
«Na schön. Vielleicht kann mir eine der Passagierinnen - Mrs. Judd, die an meinem Tisch sitzt - dabei assistieren. Um wieviel Uhr soll ich erscheinen?»
«Um drei, Sir. Die Kinder interessieren sich riesig für den Kapitän. Sie begrüßen ihn für gewöhnlich gerne mit einem Blumenstrauß oder etwas Ähnlichem.»
«Reizend, reizend. Ja also, ich muß zum Lunch.»
«Vielleicht sollten Sie zuerst Ihr Hemd anziehen, Sir?»
«Meiner Seel, ja! Wirklich merkwürdig, wie zerstreut ich in letzter Zeit geworden bin. Ist mir unverständlich.»
Aber Mrs. Judd bestand darauf, nachmittags ihren Kopf zu waschen, und Ebbs mußte sich damit abfinden, der Kinderjause allein beizuwohnen.
19
Als Ebbs sich dem Kindersalon näherte, waren seine Gefühle von echtem väterlichem Wohlwollen getragen. Für gewöhnlich stand er Kindern mit tiefem Mißtrauen gegenüber, doch sein gegenwärtiges
Seelenleben umkleidete ihn quasi ständig mit dem roten Kittel und dem weißen Rauschebart Sankt Nikolaus'. Er beschloß, ein paar geeignete Köpfchen zu tätscheln, die in seiner Hosentasche zurechtgelegten klirrenden Silberlinge zu verteilen, das Begrüßungsbukett mit einigen würdevollen, wenn auch einfachen Worten entgegenzunehmen und sich dann behufs seines Nachmittagsschläfchens zurückzuziehen. Er gab sich dem Glauben hin, daß sich das Ganze sowohl schmeichelhaft als auch erfreulich anlassen würde.
Doch als er die Salontür erreichte, überlief ihn ein Schauer der Entmutigung. Das klang ja so, als hätte sich auf der Back der Martin Luther eine Schlägerei angebahnt.
Die Pole Star Line war stolz auf ihre Kinderbetreuung, die von Lady McWhirrey persönlich in London geleitet wurde. Die Kinder auf der Charlemagne hatten einen eigenen Koch, einen eigenen Speisesalon, der mit bunten kugelförmigen Tieren ausgeschmückt war, mehrere Tagesräume mit hinreichend zerlegbarem Spielzeug und ein schattiges Gehege auf dem Bootsdeck, wo sie sicher untergebracht waren, wenn die Eltern sich selbständig machten und vergnügten. Die Pflege und Ernährung der Kinder unterstand einer mütterlichen Stewardess, der ein halbes Dutzend der gröbsten und unumgänglichsten Stewards an die Hand ging; es waren die, welche Prittlewell vor die Alternative einer noch härteren Bestrafung stellte. Von Tilbury bis Fremantle schwelgten die Kinder in Nachmittagsgesellschaften und ähnlichen Vergnügungen, doch sie lohnten die Aufmerksamkeiten der Pole Star Line verschwenderisch; sie allein von all den Passagieren fanden jeden Tag neue erregende Köstlichkeiten und beschlossen Nacht für Nacht ihr Abendgebet mit der unoffiziellen innigen geflüsterten Bitte, die Fahrt möge nie ein Ende nehmen.
Als Ebbs die Tür öffnete, schlug ihm die voll entfaltete Geselligkeit mit der Wucht eines Sturms an Deck entgegen. Im Salon wimmelte es von Feen, Seeräubern, Ballerinen, Cowboys, Pierrots, Rokokodamen und Heinzelmännchen; und alle umdrängten heftig
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