Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
mehr weiterspielen.»
Als Ebbs endlich seine Mütze erwischt hatte, sahen sein weißer Rock und seine Hose wie der Wischlappen einer Kindergärtnerin aus. Er stülpte sich die Kappe achtlos auf den Kopf und spürte, wie etwas Kaltes und Klebriges seinen Nacken hinunterlief.
«Ich gehe in meine Kabine zurück», verkündete er würdevoll. Die Kinder brüllten vor Lachen, sprangen in die Luft und klatschten in die Hände. Was würde dieser komische Mensch als nächstes anstellen?
«Aber, Kapitän!» rief die Stewardess. «Werden Sie denn jetzt nicht die Geschenke verteilen?»
«An dieses Pack von Mistfratzen werde ich bestimmt keine Geschenke austeilen», sagte er böse. «Guten Tag, Stewardess. Sie haben doch hoffentlich erfaßt, daß Sie mir eine komplette weiße Garnitur ruiniert haben? Die Wäscherechnung für diesen Nachmittag allein wird schon beträchtlich sein. Der Schaden, den meine Gefühle erlitten, ist unermeßlich.»
«Aber, Sir», flehte sie, «warten Sie doch noch das Überreichen des Buketts ab! Das werden Sie doch sicher tun, Sir! Wo ist denn das kleine Mädchen, das dem Kapitän den Blumenstrauß übergeben soll? Wo bist du denn jetzt, Kleine? Komm her, Mädelchen! Schnell, schnell! Du darfst den Kapitän nicht warten lassen! »
Ein kleines Mädchen mit einer großen Papierrose im Haar, mit einem grasgrünen Röckchen und einem völlig verfrühten Büstenhalter angetan, trat mit einem Bukett aus Papierblumen vor. Ebbs war sie nicht unbekannt: es war Priscilla.
«Soso!» rief er aus.
Sie stand stumm vor ihm und starrte befangen auf ihre papierene Gabe hinab, so unschuldsvoll wie ein Schlüsselblümchen.
«Wir haben uns schon einmal getroffen, junge Dame.»
Sie schwieg.
«Du bist ein sehr schlimmes Mädel», sprach Ebbs streng weiter.
«Was immer du getan hast, sag dem Kapitän, daß es dir leid tut», drang die Stewardess in sie.
«Tut mir leid», murmelte sie.
«Du hast dich sehr, sehr schlecht benommen», fuhr Ebbs fort.
«Ich kann nichts dafür», sagte sie demütig. «Ich bin schlecht erzogen.»
«Na, du solltest dich lieber bemühen, dich selbst zu erziehen.» Aus dem Gefühl heraus, vielleicht etwas zu hart gewesen zu sein, fügte Ebbs sofort nachsichtiger hinzu: «Wir wollen es jetzt jedenfalls vergessen, ja? Solang es dir leid tut, besteht kein Grund, daß wir nicht gut Freund sein können. Doch wirf nicht wieder mit Malfarbe um dich. Nun wollen wir aber in der Feier fortfahren. Sind diese reizenden Blumen für mich bestimmt?»
Sie blickte zu ihm auf. «Lieber Herr Kapitän -» begann sie ihre einstudierte Rede wiederzugeben. Sie hielt inne. Sie machte den Mund auf und wieder zu. Mit einem Mal war es um ihr sonst so festes Gleichgewicht geschehen. «Uuuuuh!» sagte sie. Dann erbrach sie sich über seine Füße.
20
Die Vergnügungen der erwachsenen Passagiere der Charlemagne begannen bei Einbruch der Nacht. Schon eine ganze Woche lang hatten sie in der dumpfen Abgeschiedenheit ihrer Kabinen an den Kostümen gestichelt und geleimt, sämtliche Schönheitsmittel aus dem Friseurladen an sich gerissen, die Schiffsapotheke ihrer Bandagen und Augenschirme beraubt; Koffer, die man seit Tilbury nicht mehr gebraucht hatte, wurden von schwitzenden Matrosen aus dem Gepäckraum ausgegraben, und alle Pfarrer an Bord waren gezwungen, ihre Kragenschachteln zu leeren. Zur Cocktailstunde glitten die Passagiere scheu die Kajütgänge entlang und tauchten im Rauchsalon auf, um den Beifall für ihren Einfallsreichtum und ihre Schneiderkunst entgegenzunehmen. Das Pech wollte es, daß aller Erfindungsgabe blind denselben Weg eingeschlagen hatte, und so versammelten sich um Scotties Cocktail-Shaker ganze Trupps von Matrosen und Polizisten, ganze Beduinen- und Kaffernstämme, ganze Synoden von Geistlichen, Säuglingsheime und genügend Köche, um die Küchenräume des Waldorf Astoria zu füllen.
«Ich beglückwünsche Sie. Ich beglückwünsche Sie alle auf das herzlichste», sagte Ebbs beim Dinner. Er hatte seine Fassung und seinen Appetit wiedererlangt und blickte mit strahlendem Lächeln rund um den üppig dekorierten Tisch. «Eine überaus künstlerische Darbietung. Meine Uniform kann sich daneben beschämt verstecken.»
Es war die beste Mahlzeit der ganzen Fahrt, bei der sogar Broster schwache Anwandlungen von Zufriedenheit bekam. Der Brigadier saß an der Tafel in der ihn äußerst natürlich kleidenden Aufmachung Mephistopheles' - in scharlachrotem, mit einem langen Schweif versehenem Trikot;
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