Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
Bill Coke trug auf seiner rosigen und behaarten Haut nichts anderes als ein Badetuch, das um seine Lenden festgesteckt war, und saugte an einer mit Bier gefüllten Babyflasche; Gwenny hatte ihr blondes Haar in Zöpfe geflochten und ihren stämmigen Leib in das knallblaue Chintzgewand einer Porzellanschäferin gepreßt; Mrs. Judd trug die knapp anliegende beste Uniform des schlanksten Quartermeisters unter Ebbs' Kommando; Mrs. Lomax war eine warm verschleierte Salome; Dancer hatte nichts Besseres zu zeigen als seine Tennishosen, und Willy Boast lehnte es ab, den seriösen Ablauf seines großen Abends durch etwas so Verächtliches wie eine Maskerade zu stören. Annette war einfach in Büstenhalter und Strandhose erschienen, als Jungfrau von Orléans, und Mrs. Porteous war eine Nonne.
«Eine richtige festliche Versammlung», fuhr Ebbs glücklich fort und blickte auf die ungewöhnlich lärmenden Passagiere im Salon, die bereits so weit waren, sich gegenseitig mit Nüssen zu bewerfen. «Ich bin wirklich verblüfft, welche Talente -»
Ein jauchzender Schnalzer hinter ihm unterbrach seine Rede.
«Der Champagner, Sir!» verkündete Burtweed, als meldete er den Einzug eines Bischofs an.
«Bei Zeus, Brausewasser gibt's! » sagte Dancer.
«Donnerwetter!» rief Bill Coke.
«Meiner Seel! » schrie Gwenny.
«Ich weiß eine äußerst interessante Geschichte über Champagner zu erzählen», sprach Brigadier Broster. «Ich hielt mich bei irgendeinem Lord - hab den Namen vergessen - auf einem Landgut auf. War kein sehr reicher Lord. War in Wirklichkeit ein verdammt armer Lord. Während meines Aufenthaltes hörte er, daß er irgendwie zu Geld gekommen war - nicht sehr viel, nur zehn- bis zwanzigtausend oder so was -, und er meinte, wir müßten das feiern. Er ging also in den Keller, um Champagner zu holen. Wir Engländer», fuhr er fort und trank auf einen Zug sein Glas halbleer, «mögen natürlich Champagner sehr gern. Wir halten ihn stets in unseren Häusern für Geburtstage, Weihnachten und so weiter bereit. Er fand etwas Champagner - eine Flasche vom Jahrgang 1919. Er machte sie auf. Schal wie abgestandenes Wasser. Zu alt. Also öffnete er eine Flasche Jahrgang 20. Auch abgestandenes Zeugs. Ebenso der 21er, 22er, 23er und 24er.
Alles schal. Und der arme Kerl hatte sich von 1925 an nie mehr Champagner leisten können. So mußten wir statt dessen Whisky mit Soda trinken. Verdammte Schande.» Er leerte sein Glas. «Steward! Nachschenken!»
«Die Pole Star Line lädt Sie alle mit den besten Wünschen ein», erklärte Ebbs bescheiden. «Ich hoffe, daß Sie im Laufe des Abends mehr davon bestellen werden.»
«Wissen Sie was, Kapitän?» sagte Bill Coke. «Wir haben die schönste Zeit unseres Lebens auf diesem Schiff verbracht, da gibt's nichts. Nicht wahr, Gwenny? Und wem haben wir das zu verdanken? Ihnen, Kapitän! »
«Hört, hört!» rief Mrs. Judd loyal.
«Aber, aber...»
Zwei oder drei Passagiere begannen mit ihren Löffeln auf den Tisch zu trommeln.
«Es ist wirklich eine Schande, daß wir die Charlemagne verlassen müssen. Eine richtige verdammte Schande», fuhr Bill Coke fort, plötzlich von Melancholie erfaßt. «Stellt euch alle nur vor - in ein paar Stunden haben wir unsere Koffer gepackt, sind den Laufsteg hinuntergeklettert und in alle Winde verstreut. Werden uns nie Wiedersehn. Das ist wirklich ein Jammer, Gwenny.»
Gwenny betupfte rasch ihre Augen. «Ich wollt - ich wollt, wir können auf immer so miteinander leben. Immer und immerfort.»
Vom Champagner und diesen ansteckenden Sentiments angefeuert, klatschte die Tafel laut Beifall.
«Kommen Sie uns doch in Sydney besuchen!» rief Bill Coke und streckte seine dicken nackten haarigen rosa Arme über den Tisch. «Sie alle! Jederzeit bei Tag und Nacht! Sie brauchen in Sydney nur nach Bill Coke zu fragen. Jedermann wird Ihnen den Weg weisen.»
«Bleiben Sie eine Woche, oder bleiben Sie einen Monat!» Gwenny schleuderte ihre Zöpfe so heftig über die Schultern, als wären sie die Halteseile am Heck der Charlemagne. «Bleiben Sie ein ganzes Jahr, wenn Sie wollen! »
«Aber Sie müssen auch mich unbedingt besuchen kommen», schnurrte Mrs. Porteous. «Darauf bestehe ich unter allen Umständen! Wir haben alle miteinander eine Menge zu plaudern.»
«Verdammt!» Dancer wurde rot und blickte krampfhaft in die Runde. «Wenn Sie nächstes Jahr nach London zurückkehren, möchte ich Sie riesig gern bei mir aufnehmen. Wäre entzückt, absolut entzückt davon. Ich
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