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Käptn Snieders groß in Fahrt

Käptn Snieders groß in Fahrt

Titel: Käptn Snieders groß in Fahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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fing er an, „ich bin ein alter Käpten, wie du weißt, und noch nicht lange Lehrer. Ich muß mich erst langsam in meinen neuen Beruf einarbeiten. Kannst du mir nicht ein bißchen helfen? Ich meine, kannst du nicht die Aufsätze für mich durchsehen? Als Schuldichter dürfte dir das nicht schwerfallen?“ Heini wurde rot.
    „Ich weiß nicht, ob ich das kann“, sagte er verlegen.
    „Och, Mensch, Heini!“ rief Ludwig Reiners. „Tu doch nicht so! Das kannst du sogar ganz prima. Du hast doch Herrn Heinecke auch schon manchmal helfen dürfen.“
    „Wie wär’s, Heini?“ fragte Käpten Snieders noch einmal. „Mir zuliebe? Ich weiß nicht, wie ich sonst zurechtkomme.“
    „Ich will es wohl versuchen“, sagte Heini zögernd. „Aber wenn ich es nicht richtig mache, dürfen Sie mir nicht böse sein.“
    „Quatsch, böse sein!“ knurrte der Alte. „Ich bin dir dankbar. Hier sind die Hefte. Schreib man die Einsen und Sechsen darunter, wie du es für richtig hältst. Hast du denn auch einen Rotstift?“ Heini nickte. Er hatte sogar rote Tinte.
    „Guck an, guck an, der perfekte Lehrer!“ staunte Käpten Snieders. „Na, dann fang man gleich an!“ Und zu den Gesunden gewandt: „Kommt, Jungs, wir dürfen ihn nicht länger stören. Ich hätte die Aufsätze nämlich gern übermorgen wieder zurück.“ Er stand erleichtert auf und ließ Minna auf seinen Finger hüpfen. Heini aber bat Kluten, ihm die hölzerne Schreibunterlage vom Tisch herüberzureichen. Er hatte gerötete Wangen vor Freude. Käpten Snieders fuhr ihm noch einmal übers Haar und wünschte ihm viel Spaß bei der Arbeit. Dann verließ er mit seinen beiden Offizieren den neuen Hilfslehrer, der das Heft von Lutz Lehmann schon aufgeschlagen hatte und stirnrunzelnd zu lesen begann.
     

Grimassen im Urwald
     
    Am nächsten Morgen gelang es Käpten Snieders, die Dohle Minna zu täuschen und sich heimlich aus dem Haus zu schleichen. Als er den Klassenraum betrat, sprangen die Kinder aus den Bänken, winkelten den Arm an und legten die flache Hand zum Gruß an die Stirn, wie es Hinnerk Beiderbeck mit ihnen eingeübt hatte. Er glaubte, daß man einen Kapitän so begrüßen müßte. Käpten Snieders ging breitbeinig über das geräumte Deck und musterte, als er vorn auf der Brücke stand, seine Besatzung augenzwinkernd.
    „Guten Morgen, Leute!“ rief er.
    „Guten Morgen, Käpten!“ riefen siebzehn Seefahrer zurück. Und schon saßen sie wieder auf ihren Plätzen und sahen den Kapitän erwartungsvoll an.
    Der wollte heute mit ihnen rechnen. Rechnen war neben Lesen und Schreiben das wichtigste Fach, das wußte er noch aus seiner eigenen Schulzeit. Er hatte sich genau überlegt, wie er es machen wollte. Sein Rechenunterricht sollte vor allen Dingen lebensnah sein.
    „Rechnen“, sagte er leise und ließ die Stimme zittern, als ob er von etwas Heiligem spräche, „Rechnen ist wichtig. Wer nicht rechnen kann, findet nicht durchs Leben und wird leicht übers Ohr gehauen. Also rechnen wir. Paßt auf! Ein D-Zug fährt mit einer Geschwindigkeit von vierzig Knoten von Nordenham nach Delmenhorst. Wann ist er da, wenn der Doppelzentner Koks neun Mark achtzig kostet?“
    Erster Offizier, Knastermaat und Mannschaft dachten nach und machten angestrengte Gesichter dabei. Nur Rudi Turka, der Lernanfänger, hob ohne Scheu und Argwohn den Finger und sagte, als der Kapitän ihn zum Reden aufforderte: „Um halb ßehn Uhr dreißig.“
    Käpten Snieders war verblüfft über die schnelle Antwort und fragte den Kleinen: „Wie kommst du darauf?“
    „Tante ßophie wohnt in Delmenhorßt, und die hat unß geßrieben, daß der ßug um halb ßehn Uhr dreißig eintrifft, wenn wir in Elßfleth ßußteigen.“
    Michael Triebsch tippte sich mit dem Finger an die Stirn und rief laut durch die Klasse, das Lispeln Rudis nachäffend: „Tante ßophie ßpinnt und du auch, ßüßer, kleiner Rudi, halb ßehn Uhr dreißig gibt’ß nämlich gar nicht.
    Rudi ließ sich dadurch aber nicht einschüchtern.
    „Wenn Tante ßophie daß ßagt, dann ßtimmt daß auch, Michael Triebß, die weiß daß man beßßer alß du, weil ßie nämlich Gemüße aufem Markt verkäuft und die ßüge immer ßehn kann, wenn die ßranken ’runtergehn, ätß!“
    Käpten Snieders freute sich, daß seine Rechenaufgabe ein so interessantes Gespräch in Gang gebracht hatte, und rief sofort Lutz Lehmann auf, als er dessen emporgereckten Finger sah. „Wenn ich auch mal was sagen darf“, begann der grinsend, „von

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