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Käptn Snieders groß in Fahrt

Käptn Snieders groß in Fahrt

Titel: Käptn Snieders groß in Fahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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Gelächters schier ertranken.
    Da hielt Frau Besenhoff es an der Zeit einzugreifen. Schließlich fühlte sie sich mitverantwortlich und konnte nicht zulassen, daß in ihrer Schule nur Blödsinn getrieben wurde. Sie riß die Klassentür mit einem Ruck auf, war mit drei Schritten auf Deck, stemmte die Arme in die Hüften und rief mit lauter Stimme: „Käpten Snieders, was geht hier vor, wenn ich bitten darf?“ Dabei bemühte sie sich, ihrem Gesicht etwas Strenges und Nachdrückliches zu geben, und ließ drei steile Falten zwischen ihren Augen emporwachsen.

    Die Kinder, die Frau Besenhoff so noch nie gesehen hatten, glaubten, sie wollte sich mit der Veränderung in ihrem Gesicht an der Grimassenschneiderei beteiligen, und schütteten sich aus vor Lachen. Einige zeigten mit den Fingern auf die zornige Putzfrau, und Rudi Turka, vorlaut wie immer, rief: „Du kannßt aber prima Grimaßßen ßneiden, Frau Beßenhoff, beinah ßo gut wie Hinnerk Beiderbeck.“
    Das fand Käpten Snieders auch. Er klatschte in die Hände, holte vom Fensterbrett den Blumentopf mit der großen Azalee und drückte ihn der fassungslosen Raumpflegerin in die Hand. „Hier“, sagte er, von lauten Lachglucksern unterbrochen, „dir gebührt die Palme, Mudder Besenhoff. Steck sie dir hinters Ohr, und pflege sie gut. Und wenn die Kokosnüsse reif sind, kannst du uns ja mal ein Dutzend mitbringen.“
    Die wütende Frau glaubte, in ein Irrenhaus geraten zu sein, und suchte schleunigst das Weite. Den Blumentopf nahm sie mit. Damit war der Höhepunkt der Lustigkeit überschritten. Die Kinder konnten nicht mehr lachen, ihnen tat schon der Bauch weh. Darum wurde es wieder still in der Klasse.
    An die Rechenaufgabe dachte niemand mehr, am wenigsten Käpten Snieders.
    Der alte Mann nahm wieder behäbig auf seinem Stuhl vor dem Pult Platz und erzählte: „Es ist noch gar nicht so lange her, höchstens vierzig bis fünfzig Jahre, da hat mir mal das Grimassenschneiden das Leben gerettet. Ich fuhr damals als Zweiter Steuermann auf einem schnittigen Vollschiff namens ,Antje von Cuxhaven* egalweg von Hamburg nach Kamerun und zurück. Wir holten Kakao, Kaffee und Erdnüsse. Und weil damals noch jeder Sack einzeln von den Negern an Bord getragen wurde, hatten wir hin und wieder einige Tage Aufenthalt in Duala, bis die mit dem Laden fertig waren. Na ja, und weil ich so gerne was sehen wollte von der Welt, machte ich eines Tages mit meinem Freund Kleuten Osterloh, dem Ersten Offizier, einen kleinen Bummel durch den Urwald, der gleich hinter der Stadt beginnt. Angst hatten wir nicht, außerdem waren wir gegen Schlangenbisse versichert, darum marschierten wir munter drauflos.
    Erst kamen wir auch gut voran, weil die Bäume nur vereinzelt standen, aber bald gab ein Baum dem andern mit seinen Ästen die Hand, und die Füße, die hatten sie auch noch ineinander verschränkt. Da wurde das Durchkommen natürlich immer schwerer. An manchen Stellen war das Ast- und Wurzelgeflecht so unentwirrbar verfilzt, daß wir an der einen Seite der Urwaldbäume hoch- und an der andern wieder hinabklettern mußten, um voranzukommen. Das kostete natürlich Kraft, besonders weil die Luft furchtbar feucht und heiß war. Zum Glück hatten wir nur unsere Badeanzüge an, mit halblangem Bein, was damals große Mode war, Kleuten einen quergestreiften und ich einen weißen mit großen schwarzen Flecken. Dennoch lief uns das Leckwasser eimerweise über den Körper.
    Nach einer Stunde wären wir am liebsten wieder umgekehrt, aber wir hatten in der Wildnis völlig die Orientierung verloren. Das grüne Halbdunkel umfing uns wie ein Gefängnis. Unsere Stimmung war unbeschreiblich miserabel.“
    „Daß glaub’ ich“, murmelte Rudi Turka ergriffen. „Waß ißt eigentlich mißerabel?“
    „Pst!!“ zischte Hinnerk Beiderbeck. „Bauchschmerzen sind miserabel und Backpfeifen, und nun halt den Mund!“
    Käpten Snieders fuhr fort.
    „Als wir mal wieder gerade von einem Baum herabgeklettert waren und uns erschöpft an den Stamm lehnten, tatschte plötzlich jemand auf meine Schulter, so wie man einem guten Bekannten einen Klaps gibt. ,Hör auf, Kleuten 1 , sagte ich müde, denn ich glaubte, er hätte das getan. Im selben Moment aber, als ich diese Worte sprach, sah ich meinen Freund vor mir sitzen, etwa drei Meter entfernt, und mit erschrockenen Augen auf den starren, der mir da von hinten seine Hand so freundschaftlich auf die Schulter gelegt hatte. Er klapperte dabei so laut mit den Zähnen wie ein

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