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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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herzhafte Hausmannskost«, sagte der junge Mann. »Übrigens habe ich einen Wagen gemietet. Er steht vor der Tür. Wollen wir ihn gleich mal ausprobieren?«
    »Nein, erst morgen. Heute möchte ich noch ein bisschen mit dem Stein reden.«
    »Gut, in Ordnung. Reden ist wichtig. Reden ist besser als nicht reden, egal mit wem oder mit was. Wenn ich einen Laster fahre, rede ich auch oft mit dem Motor. Und wenn ich gut aufpasse, kann ich alles Mögliche heraushören.«
    »Jawohl. Nakata findet das auch. Nakata kann zwar nicht mit Motoren reden, aber reden ist gut, egal mit wem.«
    »Also bist du jetzt einigermaßen zu dem Stein durchgedrungen?«
    »Jawohl. Allmählich versteht Nakata ihn, kommt ihm vor.«
    »Das ist die Hauptsache. Sag mal, Nakata, ist der Stein nicht sauer oder wütend, dass wir ihn eigenmächtig hierher gebracht haben?«
    »Nein. Nach Nakatas Eindruck macht sich der Stein nicht viel aus Orten.«
    Hoshino nahm diese Nachricht mit Erleichterung auf. »Da bin ich aber froh. Wir hätten ganz schön in der Klemme gesteckt, wenn uns auch noch der Stein verflucht hätte.«
    Die Zeit bis zum Abend verbrachte Hoshino damit, das »Erzherzog-Trio« zu hören. Es war keine so hervorragende und stimmungsvolle Darbietung wie die des Million-Dollar-Trios, sondern eine solide, unspektakuläre Allerweltsaufnahme, aber auch nicht schlecht. Hoshino lag auf dem Sofa und lauschte den Klängen des Klaviers und der Streicher. Die tiefe, schöne Melodie erfüllte seine Brust und die präzis gefugten Wendungen regten ihn an.
    Hätte ich diese Musik vor einer Woche gehört, dachte der junge Mann, hätte ich wahrscheinlich nichts verstanden. Ich hätte sie nicht einmal verstehen wollen. Aber ein seltsamer Zufall hatte ihn in das kleine Café geführt; er hatte sich auf einen bequemen Sessel gesetzt und köstlichen Kaffee getrunken. Erst dadurch hatte er die Musik ganz unvoreingenommen und intuitiv aufnehmen können. Diesem Ereignis maß er eine große Bedeutung bei.
    Um sich seiner neu erworbenen Fähigkeit zu vergewissern, hörte er die CD immer wieder. Auf ihr war auch ein Klaviertrio mit dem Titel »Geistertrio« vom selben Komponisten. Auch dieses Stück war nicht übel, aber das »Erzherzog-Trio« gefiel Hoshino besser. Es hatte mehr Tiefe. Währenddessen saß Nakata in einer Ecke des Zimmers und brummelte auf den runden weißen Stein ein. Hin und wieder nickte er und rubbelte sich mit der Hand den Kopf. Obwohl die beiden sich in einem Raum aufhielten, ging jeder seiner eigenen Beschäftigung nach.
    »Stört dich die Musik, wenn du mit dem Stein sprichst?«, hatte Hoshino gefragt.
    »Nein, gar nicht. Musik stört Nakata nie. Musik ist wie Wind.«
    »Aha«, sagte Hoshino. »Wie Wind also.«
    Gegen sechs Uhr machte Nakata sich an die Vorbereitungen fürs Abendessen. Es gab gebratenen Lachs und einen Salat. Die Speisen, die er vorgekocht hatte, richtete er auf Tellern an. Hoshino schaltete den Fernseher ein, um sich die Nachrichten anzusehen. Ob die Untersuchungen des Mordes in Nakano, dessen Nakata verdächtigt wurde, etwas Neues ergeben hatten? Aber der Fall wurde nicht einmal erwähnt. Berichtet wurde nur über die Entführung eines kleinen Mädchens, die Racheaktionen zwischen Israelis und Palästinensern, einen spektakulären Verkehrsunfall auf der Chugoku-Autobahn, über eine ausländische Diebesbande, den sexistischen Ausrutscher eines Ministers und über die Arbeitsniederlegung bei einem großen Medienkonzern. Nicht eine gute Nachricht war darunter.
    Die beiden setzten sich einander gegenüber an den Tisch und aßen.
    »Mmh, das schmeckt«, sagte Hoshino anerkennend. »Du bist ja ein richtiges Kochtalent, alter Freund.«
    »Danke sehr. Aber es ist das erste Mal, dass jemand Essen isst, das Nakata gekocht hat.«
    »Hast du keine Freunde oder Verwandten, mit denen du zusammen isst?«
    »Nein. Da sind die Katzen, aber die essen ganz andere Sachen als Nakata.«
    »Versteht sich«, sagte der junge Mann. »Jedenfalls schmeckt alles total prima. Besonders die gekochten Sachen.«
    »Das ist die Hauptsache. Weil Nakata doch nicht lesen kann, macht er manchmal unmögliche Fehler, und unmögliche Sachen kommen raus. Deshalb benutzt er immer die gleichen Zutaten und kocht immer das Gleiche. Wenn Nakata lesen könnte, könnte er mehr verschiedene Gerichte kochen.«
    »Mich stört’s jedenfalls nicht.«
    »Herr Hoshino?« Nakata richtete sich auf und seine Stimme klang ernst.
    »Was?«
    »Wer nicht lesen kann, hat es sehr

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