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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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ungeschehen gemacht werden kann, ferne Vergangenheit geworden sind. Das tägliche Leben beherrscht unser Denken und Fühlen, und viele wichtige Dinge sind wie erkaltete, alte Planeten aus unserem Bewusstsein verschwunden. Es gibt zu vieles, das wir im Alltag bedenken müssen, zu viel Neues zu erlernen und zu erinnern. Neue Formen, neues Wissen, neue Techniken, neue Worte … Doch zugleich gibt es Dinge, die man nie vergessen kann, ganz gleich, wieviel Zeit vergeht und was inzwischen geschehen sein mag. Erinnerungen, die nicht verblassen, die ein festes Fundament im Inneren bilden. Der Vorfall damals im Wald war ein solches Schlüsselerlebnis für mich.
    Vielleicht ist es inzwischen auch schon zu spät, um darüber zu sprechen. Doch eigentlich wollte ich mich Ihnen schon mein ganzes Leben lang anvertrauen.
    Damals im Krieg stand alles unter strenger Kontrolle, so dass man nicht einfach frei sprechen konnte. Hinzu kam, dass, als ich Sie kennenlernte, ständig Militärs dabeisaßen und ich mich in dieser Atmosphäre nicht vorbehaltlos äußern konnte. Überdies kannte ich damals Sie und Ihre Arbeit noch nicht, und als alleinstehende junge Frau konnte ich mich nicht dazu entschließen, vor einem mir unbekannten Mann offen über intime Dinge zu sprechen. Also behielt ich viele Fakten für mich. Mit anderen Worten, ich habe meine offizielle Darstellung des Vorfalls teilweise vorsätzlich verändert. Während der Nachforschungen durch das amerikanische Militär nach dem Krieg blieb ich bei meiner Aussage und wiederholte aus Furcht und Scham die gleichen Lügen, was die Aufklärung dieses merkwürdigen Vorfalls vermutlich noch mehr kompliziert oder zumindest die Ergebnisse verzerrt hat. Nein, nicht vermutlich, sondern ganz bestimmt. Ich bedaure dies wirklich sehr, und es belastet schon lange mein Gewissen.
    So kommt es, dass ich Ihnen diesen langen Brief schreibe. Vielleicht bereite ich Ihnen damit Ungelegenheiten, oder Sie fühlen sich von den Klagen einer alten Frau belästigt. In diesem Fall können Sie an dieser Stelle einfach aufhören zu lesen. Es ist nur, dass ich, solange ich noch kann, die Wahrheit über das Geschehene schriftlich bekennen und an die richtigen Hände übergeben möchte. Ich bin zwar von meiner Krankheit wieder einigermaßen genesen, aber sie könnte jederzeit wieder ausbrechen. Ich bitte Sie, mir dies zugute zu halten.
     
    In der Nacht vor dem Ausflug mit den Kindern erschien mir im Traum mein Mann, der damals an der Front war. Es war ein sehr realistischer erotischer Traum. Zuweilen hat man Träume, die so lebendig sind, dass man sie kaum von der Wirklichkeit zu unterscheiden vermag. Um einen solchen Traum handelte es sich.
    Wir liebten uns mehrere Male auf einem Stein, der so flach wie ein Schneidebrett war. Ein hellgrauer, etwa zwei Tatami großer Felsen nahe einer Bergkuppe. Seine Oberfläche war glatt und feucht. Der Himmel war bedeckt, und es sah aus, als stünde ein heftiger Regenguss unmittelbar bevor. Kein Lüftchen regte sich. Die Sonne schien bald untergehen zu wollen, und die Vögel suchten ihre Nester auf. Ohne ein Wort zu sprechen, liebten wir uns unter diesem Himmel. Der Krieg hatte uns getrennt, als wir gerade frisch verheiratet waren, und mein Körper verlangte heftig nach dem meines Mannes.
    Ich empfand unbeschreibliche körperliche Lust. Wir liebten uns in den verschiedensten Stellungen, und ich kam mehrere Male zum Höhepunkt. Im nachhinein erscheint mir das sehr seltsam, denn wir waren beide eher schüchterne Charaktere und hatten nie hemmungslos oder mehrmals körperlich verkehrt, ganz zu schweigen von derart heftigen Höhepunkten. Aber in diesem Traum streiften wir unsere Hemmungen ab und vereinigten uns wie Tiere.
    Ich erwachte in der Dämmerung mit ganz eigenartigen Gefühlen. Mein Körper war schwer wie Blei, und in mir spürte ich noch das Geschlechtsteil meines Mannes. Mein Herz hämmerte, und ich keuchte. Meine Vagina war feucht wie nach einem Geschlechtsverkehr. Diese Empfindungen waren so deutlich und real, als hätten wir uns nicht nur im Traum, sondern in Wirklichkeit geliebt. Es ist mir peinlich, davon zu sprechen, aber ich masturbierte. Die Begierde, die ich damals empfand, war so stark, dass ich sie irgendwie stillen musste.
    Später fuhr ich mit dem Fahrrad zur Schule und brach mit den Kindern zum » Reisschalenberg « auf. Auch unterwegs auf dem Bergpfad spürte ich noch Nachwirkungen des Geschlechtsverkehrs. Wenn ich die Augen schloss, spürte ich, wie mein

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