Kafka am Strand
ein Zeichen erhob sich der Hund.
15
Oshima steigt in seinen Roadster und schaltet die Scheinwerfer ein. Als er Gas gibt, prasselt Kies an den Wagen. Er stößt zurück, wendet und fährt dann den Weg hinunter. Noch einmal hebt er die Hand zum Gruß, und ich tue es ihm nach. Die Rücklichter werden von der Dunkelheit verschluckt, immer ferner klingt das Motorgeräusch, bis es bald ganz verstummt. Nun herrscht nur noch die Stille des Waldes.
Ich gehe in die Hütte und verriegle die Tür. Als ich allein bin, belagert mich plötzlich die Stille, als habe sie nur auf diesen Moment gewartet.
Für einen Abend im Frühsommer ist die Luft erstaunlich kühl, aber es ist schon zu spät, um den Ofen anzuzünden. Für heute muss ich mich wohl damit begnügen, in meinen Schlafsack zu kriechen und zu schlafen. Mein Kopf fühlt sich vor Schlafmangel ganz benommen an, und von der langen Autofahrt schmerzen mir die Glieder. Ich drehe die Lampe herunter. Es wird duster im Zimmer, und die Schatten in den Ecken vertiefen sich. Ich habe keine Lust, mich auszuziehen, und steige in Jeans und Anorak in den Schlafsack.
Ich schließe die Augen und versuche einzuschlafen, aber es geht nicht. Obwohl mein Körper dringend nach Schlaf verlangt, ist mein Bewusstsein hellwach. Hin und wieder zerreißt der Schrei eines Nachtvogels die Stille. Außerdem sind verschiedene Laute zu hören, die ich nicht zuordnen kann. Ein Geräusch, als trete etwas oder jemand auf gefallenes Laub. Das Rascheln von etwas Schwerem in den Zweigen. Ein tiefes Seufzen. All diese Geräusche scheinen ganz aus der Nähe zu kommen. Bisweilen gibt der Boden der Veranda ein rätselhaftes Knarren von sich. Ich habe das Gefühl, von einem Heer unbekannter Wesen, die in der Dunkelheit leben, umzingelt zu sein.
Ich spüre, dass jemand mich beobachtet. Sein Blick brennt auf meiner Haut. Mein Herzschlag ist ein trockenes Pochen. Die Augen einen Spalt geöffnet, schaue ich mich in der vom trüben Schein der Petroleumlampe spärlich beleuchteten Hütte um. Mehrmals vergewissere ich mich vom Schlafsack aus, dass niemand da ist. Der Eingang ist mit einem dicken Balken verrammelt, und die schweren Vorhänge am Fenster sind völlig zugezogen. Alles in Ordnung, ich bin allein in der Hütte, und auch von draußen kann niemand hineinspähen.
Dennoch lässt mich der Eindruck, beobachtet zu werden, nicht los. Ein ums andere Mal bekomme ich fast keine Luft mehr, und meine Kehle ist wie ausgedörrt. Gern würde ich einen Schluck Wasser trinken, aber dann muss ich garantiert pinkeln, und für das Abenteuer, in der Nacht ins Freie zu müssen, bin ich noch nicht bereit. Irgendwie muss ich bis zum Morgen durchhalten. In meinen Schlafsack eingemummelt, schüttele ich kurz den Kopf.
»ALSO WIRKLICH, NICHT ZU FASSEN. Du HAST TATSÄCHLICH SCHISS, FÜRCHTEST DICH IM DUNKELN UND VOR DER STILLE. Du BIST DOCH KEIN ÄNGSTLICHES KLEINES KIND! Du BIST WOHL NICHT GANZ BEI DIR?«, SAGT KRÄHE ANGEWIDERT. »Du HÄLTST DICH DOCH IMMER FÜR SO TAFF. DAMIT SCHEINT ES JA NICHT WEIT HER zu SEIN. hoffentlich heulst du nicht gleich los. oder machst ins bett, bevor es morgen wird.«
Ich lasse seinen Hohn über mich ergehen. Die Augen fest geschlossen, den Schlafsack bis unter die Nase zugezippt, verscheuche ich alle Gedanken aus meinem Kopf. Auch wenn der Ruf einer Eule die Nacht durchdringt, irgendwo etwas laut zu Boden plumpst und es mir vorkommt, als bewege sich etwas im Raum, öffne ich die Augen nicht. Das ist eine Prüfung, denke ich. Oshima hat in meinem Alter tagelang allein hier übernachtet. Er muss damals die gleiche Furcht empfunden haben wie ich jetzt. Deshalb hat er auch von den verschiedenen Arten der Einsamkeit gesprochen. Wahrscheinlich weiß Oshima sehr genau, was ich hier mitten in der Nacht durchmache, denn er hat das Gleiche erlebt. Bei dieser Vorstellung werde ich wieder etwas ruhiger. Ich überwinde die Zeit und zeichne mit dem Finger die Schatten der Vergangenheit nach, die in der Hütte noch präsent sind. Es gelingt mir, mit diesen Schatten in Einklang zu kommen. Ich hole tief Luft, und allmählich umhüllt mich der Schlaf.
Gegen sechs Uhr morgens wache ich auf. Wie eine Dusche ergießt sich das überschäumende Gezwitscher der Vögel über die Umgebung. Emsig huschen sie von Ast zu Ast und rufen einander mit weithin hörbaren Stimmen etwas zu. Ihre Botschaften haben nicht den dumpfen Klang der Schreie von Nachtvögeln.
Ich krieche aus dem Schlafsack, öffne die Vorhänge und
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