Kafka am Strand
Zähnen hervor, steckte ihn sich wieder in den Mund und kaute genüsslich. Mit sichtlichem Behagen schluckte er seinen Speichel. Zum Schluss öffnete er die schwarze Mülltüte und warf den Katzenkörper, dem der Kopf und das Herz fehlten, achtlos hinein. Wie eine nutzlos gewordene, leere Hülle.
»Das war Nummer eins«, sagte Johnnie Walker und streckte seine blutverschmierten Hände in Nakatas Richtung. »Gute Arbeit, findest du nicht? Noch lebende Herzen zu schnabulieren ist zwar ein netter Nebeneffekt, aber dass man jedes Mal so voller Blut ist, ist kaum zum Aushalten. ›Kann alles großen Neptuns Meer dies Blut absäubern von der Hand? Nein, eher würd die Hand die Meereswassermassen all fleischblutig färben, Grünes kehrn in Rot‹, wie es bei Macbeth heißt. Ganz so schlimm wie dort ist es nicht, aber die Reinigung der Kleidung ist auch kein kleiner Posten. Noch dazu, wo ich diese besondere Kleidung trage. Ein Operationskittel und Handschuhe wären praktischer, aber so etwas darf ich nicht tragen. Wieder so eine Vorschrift. «
Nakata sagte nichts. In seinem Kopf arbeitete es. Es roch nach Blut, und in seinen Ohren hallte die Melodie des »Heiho« wider.
Johnnie Walker zog die nächste Katze aus dem Koffer. Ein weißes Weibchen. Nicht mehr jung. Ihre Schwanzspitze war ein wenig gebogen. Wie bei der vorherigen Katze streichelte Johnnie Walker auch ihr ein Weilchen den Kopf. Dann fuhr er wieder mit dem Finger die Schnittlinie entlang. Langsam und gerade zog er die gedachte Linie von der Kehle bis zum Schritt. Dann nahm er abermals das Messer und trennte ihr in einem Atemzug den Leib auf. Das Gleiche wie zuvor wiederholte sich. Der tonlose Schrei. Die Verkrampfung des kleinen Körpers, die herausquellenden Eingeweide. Das Heraustrennen des pulsierenden Herzens, das er Nakata vor die Nase hielt, sich dann in den Mund warf und gemächlich zerkaute. Wieder lächelte Johnnie Walker zufrieden und wischte sich mit dem Handrücken das Blut ab. Dabei pfiff er ununterbrochen sein »Heiho«.
Nakata ließ sich auf den Stuhl fallen und schloss die Augen. Mit beiden Händen umschloss er den Kopf und presste sich die Fingerspitzen gegen die Schläfen. Ohne Zweifel ging etwas mit ihm vor. Seine heftige Verwirrung bewirkte gewaltige Umwälzungen in seinem Körper. Sein Atem ging unwillkürlich schneller, und er verspürte starke Schmerzen in der Gegend seines Halses. Sein Gesichtsfeld schien sich zu erweitern.
»Nakata, Nakata«, rief Johnnie Walker gut gelaunt. »So geht das aber nicht! Jetzt beginnt die Hauptvorstellung. Das war erst das Vorspiel. Zum Aufwärmen. Jetzt kommt ein alter Freund von dir. Trara! Mach die Augen auf, damit du auch was siehst. Jetzt wird’s erst lustig. Du musst wissen, dass ich lange überlegt habe, um diese Glanznummer vorzubereiten.«
»Heiho« pfeifend, zog er die nächste Katze hervor. Der auf dem Stuhl zusammengesunkene Nakata schlug die Augen auf und sah die Katze an. Es war Kawamura. Er starrte Nakata an, und Nakata schaute in Kawamuras Augen, aber er konnte nicht denken. Er konnte nicht aufstehen.
»Eigentlich muss ich euch ja nicht vorstellen, aber wir wollen doch einigermaßen die Form wahren«, sagte Johnnie Walker. »Also, das ist Herr Kawamura. Und das Herr Nakata. Die Herren kennen einander bereits.«
Wie im Theater zog Johnnie Walker routiniert seinen Zylinder vor Nakata und dann vor Kawamura.
»Zuerst die übliche Begrüßung, doch danach beginnt sogleich der Abschied. Hello, Good bye – wie Blüten im Sturm, das ganze Leben ist ein Abschied«, sagte Johnnie Walker und liebkoste mit dem Finger Kawamuras weichen Bauch. Es war ein sehr liebevolles, sanftes Streicheln.
»Jetzt ist es Zeit, Schluss zu machen, Nakata. Schluss, Ende. Die Zeit ist abgelaufen, und Johnnie Walker hat keine Skrupel. Im Wortschatz des berühmten Katzenmörders Johnnie Walker ist ein Wort wie ›Skrupel‹ nicht enthalten.«
Sogleich schnitt Johnnie Walker völlig skrupellos Kawamuras Bauch auf. Kawamuras Schrei war zu hören. Seine Zunge war nicht vollständig gelähmt. Vielleicht war es auch ein besonderer Schrei, der nur für Nakatas Ohren vernehmbar war. Es war ein entsetzlicher Schrei, der ihm das Blut in den Adern erstarren ließ. Nakata schloss die Augen und umfasste mit beiden Händen seinen Kopf. Er merkte, dass seine Hände stark zitterten.
»Augen auf«, befahl Johnnie Walker knapp. »Auch das gehört zu den Vorschriften. Die Augen sind nicht zu schließen. Wer sie dennoch schließt,
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