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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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gegangen, um sie im Freien zu sprechen; in dieser Nacht aber mochte einer von ihnen sich dabei den Tod holen. Den Herrn der Insel hätte er als Abt von Quarr in den Gasträumen des Klosters empfangen dürfen, doch dass Isabel de Fortibus den entsprechenden Titel trug, machte aus ihr keinen Herrn. Was ohnehin heikel und schwierig war, wurde durch ihr Geschlecht zu einem schier unlösbaren Problem. »Ich empfange die Lady im Kalefaktorium«, entschied er sich endlich. Wenn sie darauf bestand, den Platz eines Mannes einzunehmen, würde er sich geben, als sähe er einen Mann in ihr.
    Bruder Benedict nickte beflissen, schauderte einen Wimpernschlag lang vor der Aussicht, sich noch einmal den Fluten des Wolkenbruchs auszusetzen, und lief los. Dass er Francis vergessen hatte, bemerkte Randulph erst, als Isabel, geleitet von Bruder Benedict, der ihr eine Plane über den Kopf hielt, vom Torhaus hinaufkam. Er hatte sie jahrelang nicht gesehen, doch etwas an ihr war unverändert: Selbst wenn ihr aus jedem Stück Stoff am Leib das Wasser troff, so gelang es ihr doch, als Herrin aufzutreten, der das Gewürm zu ihren Füßen lästig war.
    »Guten Abend, ehrwürdiger Vater«, grüßte sie ihn mit ihrer Stimme, die wie ein Sarazenensäbel war – scharf und schön, leicht gebogen und tödlich.
    »In meinen bescheidenen Kreisen wünscht man sich um diese Stunde eine gute Nacht, Mylady.« Die korrekte Anrede lautete »meine Tochter«, aber das war so lächerlich, als hätte er ein Erdbeben Wetterchen genannt.
    »Ich bedaure«, erwiderte Isabel, bedauerte aber offensichtlich nichts. »Wie Ihr Euch denken könnt, ließ der Grund meines Kommens keinen Aufschub zu. Es ist kein Vergnügen, durch solchen Weltuntergang ein Pferd zu treiben.«
    »Immerhin habt Ihr darin Übung.« Warum er sich Spitzen wie diese, die das Verhältnis zwischen ihnen auf eine unerwünschte Ebene hoben, nicht verkniff, war ihm selbst ein Rätsel.
    »Ich bin nicht mehr jung«, parierte sie gekonnt. »Und Ihr seid es auch nicht.«
    »Wohl wahr. Gehen wir ins Kalefaktorium, wo Ihr Euch ein wenig aufwärmen könnt. Für gewöhnlich brennt dort nur bis zum Karfreitag ein Feuer, doch wenn wir es in diesem Jahr nicht brennen ließen, bekämen wir keinen einzigen Bogen Pergament getrocknet.«
    Francis stand noch immer dabei, und als sie sich in Bewegung setzten, schloss er sich schweigend an. »Ich wäre dankbar, wenn Euer Prior draußen warten könnte«, sagte Isabel. »Dies ist keine Angelegenheit des Klosters, sondern eine unter vier Augen.«
    Randulph hätte ihr deutlich machen müssen, dass es an ihm war zu entscheiden, wer an einer Unterredung innerhalb des Klosters teilnahm, aber Francis wich schon mit einer kleinen Verneigung in den Gang zurück. »Solltet Ihr mich brauchen, halte ich mich zur Verfügung, mein Vater.«
    Die Wärmestube war verlassen, keine Kerze flackerte, und das Feuer, über dem die Leine mit den zum Trocknen bereiteten Pergamenten hing, war so gut wie heruntergebrannt. An einer Wand reihten sich mit Stroh gefüllte Pritschen für Brüder, die sich von Aderlass oder Krankheit erholten, an der anderen standen Arbeitstische, an denen Tinte bereitet wurde. Randulph setzte sich auf einen Schemel.
    Isabel blieb stehen. Mit einem Schlag fiel das Hoheitsvolle, Beherrschte von ihr ab. »Es geht um Adam.«
    Randulph seufzte. »Alles andere hätte mich gewundert.«
    »Ihr müsst mir helfen, Randulph.«
    »Aha. Und aus welchem Grund muss ich das? Beruft Ihr Euch auf die Tatsache, dass ich der geistliche Herr über Eure Ländereien bin, oder darauf, dass Ihr der weltliche über meine seid? Oder am Ende gar darauf, dass wir einmal um ein Haar verwandt gewesen wären?« Er hasste sich dafür, dass ihm solche Sätze entschlüpften. Der Novizenmeister lehrte die Novizen zu leben, als wären sie nie etwas anderes gewesen als Mönche des zisterziensischen Ordens. Randulph wünschte es einem jeden von ihnen, doch ihm selbst war es nie gelungen.
    »Ich berufe mich auf Eure christliche Pflicht, Euren Schwestern und Brüdern Mitleid zu erweisen«, erwiderte Isabel. »Adam ist verschwunden, ohne mir ein Wort zu sagen. Seit sechs Wochen macht mich die Sorge um ihn krank – heute Nacht habe ich es nicht mehr ausgehalten.«
    Sie war der letzte Mensch, von dem man erwartete, er könne um Mitleid bitten und an der Sorge um einen anderen Menschen krank werden. »Ihr überrascht mich«, gestand er aufrichtig ein. »Wenn Euch wahrhaftig danach verlangt, sollen Euch die

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