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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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ging nur ihn an. Nicht Isabel.
    Sie war an das winzige Fenster getreten, stützte die Hände auf den Sims und starrte auf den hölzernen Laden, als könnte sie durch das Holz in die Sturmnacht sehen. Das zerfetzte Gebende gab ihr Haar frei und ließ es nass, wie es war, in ihre Taille fallen. Es war nicht mehr braun, aber noch immer prachtvoll. Wie das Haar der Lady Godiva, die ihre Stadt Coventry vor erdrückender Steuerlast gerettet hatte.
    »Ich habe getan, was ich für das Richtige hielt«, sagte sie. »Habt Ihr mir das nicht gepredigt?«
    »Ihr lasst Euch nichts predigen. Aber geraten mag ich es Euch haben.«
    »Ich hätte ohnehin nie eine Wahl gehabt«, erwiderte sie. »Ich hätte nichts tun können als das, was ich in jedem Augenblick für das Richtige hielt. Auch mitten durch Nacht und Weltuntergang hierherzureiten.«
    »Und auch, Eurem Verwalter zu gestatten, Urkunden zu fälschen und Gelder zu rauben?«
    Sie überlegte. »Ja«, bekannte sie dann. »Ich will, dass auf dieser Insel kein anderer regiert als ich. Es verdirbt den Hund, wenn er nicht weiß, auf welchen Herrn er zu hören hat. Aber wichtiger ist: Der beste Herrscher für die Insel ist der, der sie über alles stellt. Weder der König kann das tun, der ganz England, halb Frankreich und das Heilige Land zu bedenken hat, noch die Kirche, der kein Ort auf Erden etwas gelten darf. Ich bin es, die dieser Insel geben würde, was immer sie besitzt.«
    Wie wahr, dachte Randulph. Und gerade deshalb darfst du nicht erfahren, nach wem Adam sucht. Sogar Adam scheint das begriffen zu haben, ansonsten hätte er es dir längst gesagt.
    »Ich bin es, die Saatgut verteilt, wenn die Ernte ersäuft«, fuhr Isabel fort. »Ich bin es, die der Insel den Hof eines Königreiches ermöglicht, und wenn es dieser Tage einen Verbrecher braucht, um das Geld dafür zusammenzuhalten, dann hat der Verbrecher meinen Segen.«
    »Ich verstehe«, sagte Randulph, den Müdigkeit übermannte. »Ihr seid Cyprian ähnlicher, als Ihr es für möglich haltet. Hat Euch das je ein Mensch gesagt?«
    Sie fuhr herum. »Was wollt Ihr? Mich beleidigen?« Dann ließ sie zweimal ihre filigrane Gurgel zucken und schüttelte das nasse Godiva-Haar. »Nein, Ihr habt recht, ich weiß. Wir nehmen uns fast nichts, und was er mir angetan hat, täte ich auch ihm an, gäbe er mir je die Gelegenheit dazu.«
    Und ich bin es, der sie dir nicht geben wird, dachte Randulph. Dass er sie Adam verschafft hatte, war unverzeihlich genug, und es verging keine Nacht, in der ihn der Gedanke nicht wach hielt. In dieser Nacht aber würde er bis zur Vigil schlafen. »Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr jetzt ginget«, sagte er. »Wenn ich von Adam oder von Cyprian höre, sende ich Euch Nachricht. Zudem werde ich für Adams Rückkehr zu Euch beten.«
    Etwas Weiches, Suchendes ging über Ihr Gesicht. »Ihr meint nicht, was Ihr sagt, oder doch? Ihr sagt es zu jedem.«
    »Ich wünsche, dass jedem, der hierher um Hilfe kommt, Hilfe zuteilwird«, erwiderte er ausweichend.
    »Aber Ihr seid wütend, weil Adam die Abtei um Geld betrogen hat.«
    »Nein«, antwortete Randulph. »Das Geld mag bleiben, wo es ist, und den Opfern des tückischen Wetters helfen.«
    Ohne den Blick von ihm zu wenden, sagte sie: »Ich habe Euch immer als Feind betrachtet, weil ich sicher war, Ihr müsstet auf Cyprians Seite stehen. Aber ich habe mich geirrt, nicht wahr?«
    »Ich bin hierhergekommen, um auf niemandes Seite zu stehen«, entgegnete Randulph. »Ich kann Euch nur bieten, was Ihr eingangs von mir verlangt habt: mein Mitgefühl unter Christenmenschen.«
    »Danke«, sagte sie, noch immer mit dem Blick in seinem. »Wenn ich Euch bäte, mir die Beichte abzunehmen – was würdet Ihr tun?«
    »Euch an den Ordenspriester verweisen, den wir zu diesem Zweck nach Carisbrooke entsenden«, entgegnete Randulph, stand auf und ging zur Tür.
    Sie folgte ihm. Ehe er zurückwich, berührte sie seine Schulter. »Gute Nacht, kleiner Bruder Randulph.«
    »Gute Nacht – Isabel.«
    Er blieb hinter der Tür stehen, während sie durch den Gang entfloh. Erst als er keinen Schritt mehr hörte, trat er hinaus. Prior Francis hielt sich im Winkel und versuchte, mit einem Blick zu erkunden, ob sein Abt ihn brauchte. Randulph wollte abwinken, dann aber hielt er in der Bewegung inne und fragte: »War es recht, sie gehen zu lassen? Wird sie es in dem Wetter bis nach Carisbrooke schaffen?«
    »Mit der Hilfe Gottes, mein Vater«, erwiderte Francis. »Wünscht Ihr, dass wir zu Ihrem

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