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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Schutz ein Gebet sprechen?«
    »Ich wäre froh«, entwich es Randulph. »Und was Ihr denkt, sagt mir auch.«
    »Das steht mir nicht zu, mein Vater.« Francis hatte sich bereits abgewandt, um den Weg zur Kirche einzuschlagen.
    »Sprecht!«, befahl ihm Randulph.
    »Ich dachte nur: Die Herrin von Carisbrooke hat auffällig grüne Augen. Eine Lappalie. Aber man kann sich schließlich nicht immer verbieten, so etwas zu denken.«
    »Nein, gewiss nicht.« Randulph schob den schweren Türflügel der Kirche auf.
    »Schillernde Augen«, murmelte Francis. »Die, die ich zuletzt in solchem Grün sah, waren matt.«
    »Haltet ein!« Randulph hob die Hand. »Man kann sich nicht immer verbieten, etwas zu denken, aber man kann sich verbieten, daraus Schlüsse zu ziehen.«

21
    A
us Tagen ohne Matthew wurden Wochen ohne Matthew. Aus Nächten ohne Matthew wurde eine Qual, die keinen anderen Gedanken neben sich duldete.
    Anfangs war Amicia stolz auf sich gewesen, weil sie sich entschlossen an das Versprechen hielt, das sie ihm gegeben hatte: Sie verließ den Grund und Boden des Gasthauses nicht. Wie er ihr beteuert hatte, fehlte es ihr und ihren Gefährten an nichts, denn sie wurden wie Fürsten umsorgt. Magdalene, die noch immer blutleer und müde war, ruhte viel und bekam Wein mit frischem Ei. Sie hatte vor Timothy Frieden, weil die Söhne des Wirts ihn zu Ausflügen durch die Stadt einluden, und Hugh durfte trinken, bis er vom Stuhl fiel und auf dem Boden einschlief. Einzig Amicia fühlte sich als Drohne im Bienenhaus unwohl und suchte sich, so gut es ging, Beschäftigung.
    Hinter dem Haus lag ein windgeschützter Garten, in dem Dolasilla, die Frau des Wirts, Kräuter zog. Viele verwendete sie in ihrer Küche, mit der sie Hungrige aus dem gesamten Stadtviertel anlockte. Aus anderen brannte sie alkoholische Getränke, und aus wieder anderen bereitete sie Salben und Arzneien. Als sie erfuhr, dass Amicia in Quarr selbst einen Kräutergarten gepflegt hatte, lud sie sie ein, ihr bei der Verarbeitung der Pflanzen zu helfen.
    Dolasilla war eine klein geratene, wendige Person, vom Wohlleben rundlich und gesegnet mit wirrem Lockengekräusel, das einmal tintenschwarz gewesen sein musste. Sooft sie erregt war, fiel sie aus ihrem singenden, rollenden Englisch in die Sprache ihrer Heimat zurück, die ein wenig wie weich gewaschenes Latein klang. Trat Amicia am Morgen in den Garten, so rief sie: »Bun dé, bun dé!« , und strahlte über ihr beredtes Gesicht.
    »Heißt das ›Guten Morgen‹, Dolasilla? Was für eine Sprache ist das?« Die Gastwirtin lachte. »Nur eine ganz kleine Sprache, die in einem ganz engen Tal gesprochen wird. Die musst du kluges Mädchen, das von großen Sprachen weiß, nicht kennen.«
    Die meisten der Kräuter, die Dolasilla unter Ausnutzung jedes Sonnenstrahls in ihren Beeten hegte, hatte Amicia nie gesehen. Sie trugen unaussprechliche Namen wie »Wallwurz«, »Bärlauch« und »Bergwohlverleih«. Das Letztere hatte kleine goldgelbe Blüten.
    »Sie alle haben heilende Kräfte«, erklärte Dolasilla und pflückte Amicia Hände voll Wallwurz in den Mörser. »Dieses zerstampfst du und gibst gutes Fett dazu, dann heilt es wundes Fleisch und zerbrochene Knochen. Es ist so wirksam, dass du es in keinen Topf mit Lammfleisch geben dürftest, weil die Batzen zusammenheilen würden und dein Lämmchen spränge dir davon.«
    Amicia musste lachen.
    »Aber Vorsicht«, warnte Dolasilla, legte das Gesicht in Falten und hob mahnend einen Finger. »In der rechten Dosis verwendet, sind die Kräuter ein Segen, aber nimmst du zu viel, dann vergiften sie dich. Dieses hier zum Beispiel …« Ein wenig geheimniskrämerisch bückte sie sich und pflückte einen Zweig des gelb blühenden Bergwohlverleihs. »Auf Wunden aufgelegt, lindert es Schmerzen und heilt misshandelte Haut. Auf ein misshandeltes Herz gelegt, heilt es auch dieses – es lässt den Burschen, der es dir gebrochen hat, in Liebe erglühen und dir zu Füßen seufzen. Nimmst du aber mehr, als ihr beide vertragen könnt, dann verbrennt es euch – dich und ihn.«
    Ist so nicht alle Liebe, ob mit oder ohne Kraut?, durchfuhr es Amicia. Der Gedanke war albern, denn was wollte ausgerechnet sie von der Liebe verstehen? Je länger Matthew aber fortblieb und sie sich ausmalte, was ihm widerfahren sein mochte, desto stärker wurde das Gefühl, sie werde von der Liebe innerlich verbrannt.
    Die viel zu kühlen, zu dunklen Monate mündeten schließlich doch noch in einen Hochsommer, der

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