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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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teilen. Natürlich besaß auch er brandneue, ausgeklügelte Geräte, so wie den Liebling, der in einem Korb frischer Früchte auf seinen Einsatz wartete, doch das eine schloss das andere nicht aus. Ihm ging zum Auftakt nichts über den altbewährten Pfiff einer Peitsche und das geradezu hungrige Klatschen, mit dem die Schnüre sich in das Fleisch des Delinquenten fraßen.
    Die Peitsche, die er in den Händen liebkoste, hatte er sich nach eigenen Vorstellungen von seinem Sattler fertigen lassen. Das Leder ihrer neun Riemen war scharf und schräg geschnitten, damit es tiefere Wunden riss. In seiner nackten Form eignete es sich bestens, um faule Bauern zu strafen, die man anderntags wieder an den Pflug stellen wollte, und noch besser, um ungeratene Knaben Manieren zu lehren. Vorausgesetzt, es handelte sich um wohlgeratene, gelehrige Knaben, bei denen härtere Strafen nicht nötig waren.
    Zu anderen Zwecken, so wie zu dem, den Cyprian heute im Sinn hatte, ließen sich an die Enden der Riemen zu Pfeilspitzen geschliffene Metallsplitter knoten. Die Splitter waren nötig, um dem Spiel tödlichen Ernst zu verleihen. Das war es schließlich, was so viele Herren am Einsatz der Peitsche bemängelten: Sie bereitete Schmerz, doch sie machte keine Angst, und ein tapferer Mann konnte unter ihren Hieben schweigen wie ein verdammter Zisterziensermönch.
    Die Pfeilspitzenpeitsche hingegen riss Wunden, die töten konnten, und jeder Ritter, der sich auf Verletzungen verstand, war sich dessen bewusst. Es war dieses Wissen, das den Schuldigen die Kiefer auseinandertrieb und Cyprian für erlittenes Unrecht entschädigte. Verpasste man einem Bauern oder Knaben Prügel auf den Hintern, gab es reichlich Schmach und Schmerz, aber keinen bleibenden Schaden. Der Mann, der jetzt vor ihm an die Wand gekettet stand, würde ihm ins Gesicht sehen müssen, während er Schlag um Schlag auf die Brust empfing. Dorthin, wo sein verräterisches Herz saß. Mochte es bluten für das, was es an seinem Herrn verbrochen hatte!
    »Ihr führt das Protokoll«, befahl Cyprian seinem Verwalter, der im Winkel unter der Kienfackel stand und wegen des Rußes hustete. Außer dem Buckligen, ihm selbst und dem Gefangenen befand sich kein weiterer Mensch in dem engen Verlies. Cyprian würde die nötige Behandlung mit eigenen Händen ausführen – einen Mitwisser konnte er nicht brauchen.
    »Was Ihr vorhabt, ist gegen das Gesetz«, hatte der bängliche Robert ihm noch auf der Treppe zugewispert. »Der Mann gehört dem Ritterstand an. Er darf nicht gefoltert werden.«
    »Und ist er der Erste, dessen Folter Ihr kalt lächelnd beigewohnt habt?«, hatte Cyprian ihn gefragt. »Oder habt Ihr das letzte Mal ein Auge zugedrückt, weil Ihr auf die Stellung des Verräters scharf wart?«
    »Das nicht, aber … er war kein Ritter.«
    »Ein Sohn des Landadels, nicht geringer als unser Freund dort unten. Verdammt, hört auf, Euch wie ein Mädchen zu zieren, Robert! Hat der Kerl etwa nicht gegen ein Gesetz verstoßen, wenn auch gegen ein ungeschriebenes? Ist es vielleicht Recht, seinen Herrn zu betrügen und das Geld für einen Auftrag einzustreichen, den man nur zur Hälfte ausgeführt hat?«
    »Das nicht. Es ist nur …«
    »Was ist nur? Ihr könnt gehen, wenn Ihr wollt. Ihr dürft sogar Eure Zunge mitnehmen. Was ich von Verrätern halte und wie ich mit Ihnen verfahre, ist Euch ja bekannt. Aber bei einem wie Euch genügt es mir, Euch in das Elend zurückzustoßen, aus dem Ihr gekommen seid.«
    Robert hatte nichts mehr gesagt, sondern mit seinem Schreibbrett brav seinen Platz unter der Fackel eingenommen. Cyprian vernahm die Atemzüge des Gefangenen, flach und gehetzt, als spüre der den Tod im Nacken.
    Er hätte dem Mann ein Lächeln senden können, wie es so mancher in seiner Lage getan hätte, um dem anderen zu bedeuten, wer das letzte Lachen haben würde. Er aber wollte ihm etwas anderes bedeuten: dass es an seiner Tat nichts zu lachen gab und dass es für den Täter auf dieser Welt auch keinen Grund mehr zum Lachen geben würde.
    Ohne Vorwarnung holte Cyprian aus und schlug dem Mann die neun metallbewehrten Riemen über die Brust. Dieser erste Schlag erfolgte, ohne dass das Opfer die Muskeln spannen und um Beherrschung ringen konnte, und hatte das Ziel, ihm die Würde zu nehmen. Wie erwünscht entfuhr dem Mann ein jaulender Schrei. Seine Gelegenheit zum Heldentum hatte er sich damit verscherzt.
    Cyprian ließ drei, vier schnelle Schläge folgen. Das Blutbad, das die Pfeilspitzen

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