Kains Erben
auf der Brust des Opfers hinterließen, das aufgepflügte Fleisch sah er sich nicht an. Vermutlich hätte mancher geglaubt, er sei zum Folterknecht geboren, doch in Wahrheit verabscheute er Details, die ihm den Appetit verdarben. Selbst den verdammten zerfetzten Vogel hatte er unter einem Deckel aus Gebäck verbergen und von einem Diener auftragen lassen. Statt auf die Brust des Mannes zu schauen, die nie wieder eine Frau entzücken würde, sah er dem Opfer ins Gesicht.
Er genoss den Anblick der hässlich verzerrten Züge, der verkniffenen Augen, der verkrampften Kiefer. Schließlich war er ein Mann, der nach Rosen duftendes Frauenhaar geliebt hatte, nicht Blut und Eiter und die flüssige Scheiße, die einem gepeitschten Jammerlappen aus dem Hintern quoll.
»Mylord Baron.« Die klägliche Stimme seines Kastellans verdarb ihm den Pfiff der Peitsche. Cyprian drehte sich um und sah den Buckligen scharf an. »Mit Verlaub – vielleicht solltet Ihr eine Pause einlegen. Es ist immerhin möglich, dass der Herr schon sprechen will.«
Verfluchter Weichling! Wie oft, in drei Teufels Namen, hatte Cyprian ihm erklärt, dass die Peitsche der Vorbereitung diente und dass die Dosis, die er verabreichte, peinlich genau bemessen war? Erst wenn der Verräter diese Vorspeise bis zum letzten Bissen gekostet hatte, würde er ihm erlauben, sein Geständnis abzulegen und reumütig um Gnade zu winseln.
Der Gefangene nutzte die unverdiente Pause. »Hört mich an!«, jaulte er, die sonst schöne Stimme verzerrt. »Ihr seid im Irrtum! Ich habe getan, was Ihr von mir verlangt habt, ich habe sogar noch mehr getan.«
»So, habt Ihr?« Cyprian verfluchte sich im Stillen selbst. Eben dies hatte er vermeiden wollen: dass der Kerl seine Neugier weckte und die schöne Prozedur unterbrach. »Und wie, bitte schön, ist dann das Mädchen zu Tode gekommen?«
»Hört mich an«, bettelte der Gefangene bar jeder Würde noch einmal. »Es ist nicht leicht erklärt, ich muss weiter ausholen …«
»Ausholen werde ich!«, schrie Cyprian und schlug blindlings zu. Wenn er den Mann am Auge traf, wäre dieses verloren, doch das kümmerte ihn nicht. Er konnte an nichts mehr denken als an den infamen Treuebruch. Der Mann, der ihm einen Eid geleistet hatte, der zu seiner Familia gehört hatte, war hingegangen und hatte sich ohne jeden Skrupel den Judaslohn seines Feindes ins Säckel gesteckt. Als der Trupp jetzt ohne das Mädchen zurückgekommen war, hatte Cyprian nur noch zwei und zwei zusammenzählen müssen, um zu begreifen, dass sein finsterster Verdacht sich bestätigt hatte: Der Verräter war keiner als Thibault, der Führer seiner Ritter, dem er wie einem Bruder vertraut und den er über sein Fleisch und Blut gestellt hatte.
Wie einem Bruder. Natürlich war Thibault nicht Gregory, dafür besaß er nicht das Format, höchstens eine Spur der welschen Verweichlichung. Vermutlich hätte er auch gern wie Gregory den Mond angesungen, einem verdammten heulenden Hund gleich. Er besaß lange nicht Gregorys Macht über ihn, aber was er Cyprian angetan hatte, riss die nie verheilte Wunde wieder auf.
Die Peitsche pfiff nicht länger, sie war eine Schlange, die zischte und biss. Der Bedacht, mit dem Cyprian die Schläge hatte führen wollen, war dem verfluchten Jähzorn gewichen, der den Gefangenen möglicherweise tötete, ehe er ihm sein Geheimnis entlockt hatte.
Erschöpfung, nicht Einsicht war es, die Cyprian schließlich innehalten ließ. An seiner Seite stand Robert und hielt ihm einen großen, bis an den Rand gefüllten Kelch hin. Cyprian nahm ihn und schüttete sich den Wein in den Nacken, wo er kühlte und wohltat. Dann gab er ihn Robert zurück, der ihn von Neuem füllte.
Erst als Cyprian getrunken hatte und sich erfrischt fühlte, blickte er auf. Der Verräter konnte von Glück sagen, denn die meisten Schläge hatten Schultern, Brust und Hals getroffen. Die Haut hing ihm in Fetzen vom Leib, die zerrissene Stirn erinnerte in lachhafter Weise an Bilder des Erlösers, und von den Lippen troff Blut, doch beide Augen waren unversehrt.
Cyprian lächelte auch jetzt nicht, doch er hatte sich wieder in der Gewalt. »Und jetzt?«, fragte er den Wimmernden. »Bist du immer noch die fälschlich verfolgte Unschuld, mein Hübscher?«
Der Gefesselte nickte. Offenbar hatte ein Riemen seinen Kehlkopf getroffen, und das Sprechen fiel ihm schwer.
Cyprian holte nicht noch einmal aus, sondern schüttelte das Blut von den Riemen, wischte sie mit einem weichen Tuch sauber
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