Kains Erben
nicht die Gurgel durchbeiße. Beim letzten Mal hatte ich eine Zelle mit Blick auf den Fluss und meine eigenen Diener und jetzt so etwas! Hat es das in diesem Land je gegeben – einen Kleriker, der von Beamten seines Königs an die Wand geschmiedet wird wie ein tollwütiger Straßenköter?«
»Es hat in diesem Land schon Kleriker gegeben, die von Beamten ihres Königs erstochen wurden wie tollwütige Straßenköter«, versetzte Isabel trocken. »Ich bin noch immer nicht klüger, Adam, und wenn du vorhast, mich weiter im Dunkeln zu halten, geh in die Zelle zu deinem Abschaum zurück.«
»Schick mich nicht weg.« Er kam zu ihr, sank auf die Knie und legte ihr den Kopf in den Schoß.
Eine Frau ist erst schön und dann alt, dachte sie. Ein Mann kann eine Zeit lang schön und alt zugleich sein. Aber auch die Zeit ging vorbei. »Willst du jetzt sprechen oder nicht? Wer ist er?«
»Matthew de Camoys.«
Sie musste schlucken. »Er lebt also«, hörte sie sich Wort für Wort murmeln, und dann fuhr sie in Gedanken Wort für Wort fort: Ich will nicht, dass du ihm die Gurgel durchbeißt. Ich will es selbst tun.
»Ja, er lebt, weil ich Idiot nicht aufgepasst habe. Ich hätte ihm den Garaus machen können, doch stattdessen hat seine Heiligkeit Randulph von Quarr ihn zusammengeflickt. Und jetzt, wo er mir das zweite Mal in die Finger gerät, schmieden uns ein paar geistlose Büttel keine zwei Armlängen voneinander getrennt an die Wand.«
Isabel gönnte es ihm. Die Niederlage und die Demütigung. Matthew de Camoys würde einen qualvollen Tod sterben, aber nicht Adam stand es zu, dafür zu sorgen.
»Nach fünf Wochen ließen sie ihn gehen«, sagte Adam. »Kannst du dir das vorstellen? Sie haben diese grässlichen knirschenden Riegel zurückgeschoben, ihm die Ketten von den Gelenken genommen und ihn laufen lassen. Bevor er ging, drehte er sich noch einmal um und spie mir ins Gesicht, er bringe sie an einen sicheren Ort. Ich werde sie niemals finden, hat er gesagt.«
Er wollte seinen Kopf tiefer in ihren Schoß graben, aber sie stieß ihn zur Seite. »Wer ist sie?«
»Ich habe dir doch erklärt, das kann ich dir nicht sagen.« Seine Stimme klang beinahe weinerlich. »Nicht ehe ich sie gefunden und heil hierhergebracht habe.«
Isabel stand auf. »Daran, dass du ein Hurenbock bist, habe ich nie gezweifelt, Adam. Dass du allerdings vorschlägst, deine Huren in mein Haus zu bringen, schlägt mehr als einem Fass den Boden aus. Im Übrigen machst du dich lächerlich. Ein Weibsbild, das noch nicht völlig über Gut und Böse hinaus ist, solltest du in deinem Alter besser Matthew de Camoys überlassen.« Dass sie damit sich so sehr herabsetzte wie ihn, nahm sie in Kauf. Sie hatten es beide verdient.
Hatte er bis eben gewirkt wie ein Mann, der all seine Spannkraft verloren hatte, so sprang er jetzt auf wie von der Sehne geschnellt. Für einen Augenblick sah er im schwachen Licht aus wie der Adam, den sie kannte. »Ich werde nie einem Camoys überlassen, was mir gehört«, sagte er mit gefährlicher Ruhe. »Und noch etwas, meine Schönste: Du täuschst dich in mir. Ich mag ein Pluralist und ein Wucherer sein, ein Betrüger und ein gemeiner Dieb. Ginge es nach diesen Wichtigtuern im Tower, bin ich sogar ein Schwarzkünstler und hexe arglosen Jünglingen Geschwüre auf die Schwänze. Aber ein Hurenbock bin ich nicht. Das Mädchen, das ich Camoys entreißen muss, habe ich nie angerührt. Und dich habe ich immer geliebt.«
Das Lachen blieb Isabel im Halse stecken. Sie würde in ihrem Alter nicht anfangen, den Worten Adam de Strattons zu glauben, der nicht einmal selbst wusste, wann er log und wann nicht. Die Worte aber waren dennoch nicht ohne Gewicht. Im Gegenteil. Es waren die schwersten Worte der Welt.
»Ich bin müde«, sagte Isabel. »Wenn du mir weiter nichts zu sagen hast, gehe ich schlafen.«
Er vertrat ihr den Weg. »Darf ich bleiben?«
»In den Gästequartieren«, erwiderte sie.
»Was, oben? Beim Brunnenhof?«
»Tu nicht so, als machte es dir etwas aus«, verwies sie ihn und setzte einen Schritt an ihm vorbei.
»Isabel!« Er packte ihren Arm. »Vertrau mir, ich flehe dich an – nur noch das eine Mal. Ich werde dir sagen, wer das Mädchen ist, aber erst einmal muss ich es finden. Ich weiß, wo er die Kleine hingebracht hat, Seine Heiligkeit Randulph hat es mir verraten, aber dort bekomme ich sie ohne Gewalt nicht heraus.«
»Seit wann schreckt dich Gewalt?«, spottete sie. »Ich dachte, sie reizt dich.«
»Das hat
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