Kains Erben
bring es, wohin du willst, aber nicht auf diese Burg«, presste sie heraus und entwand sich seinen Händen. »Wenn es einer deiner Bastarde ist, Adam, dann gnade dir Gott.«
Einen Herzschlag lang erstarrte er. Dann fasste er sich und blickte wieder zu ihr auf, ohne sie noch einmal zu berühren. »Gott gnade mir«, sagte er. »Sie ist mein Bastard. Mein einziger.«
25
D
ass die Amsel fortgegangen war, erfüllte Magdalene mit tiefer Traurigkeit. Nach außen hin gab sie sich heiter, weil sie nicht wollte, dass die anderen, allen voran Dolasilla, unter ihrer Stimmung litten, aber ihr Herz fühlte sich so schwer an, dass ihr klappriger Körper Mühe hatte, es herumzutragen. Wenn sie allein war, malte sie sich den Tag aus, an dem ihr Herr Matthew zurückkommen und entdecken würde, dass seine Amsel entflogen war. Bei dem Gedanken daran musste sie haltlos weinen.
Hinzu kamen andere Sorgen. Timothy hatte kein Geld mehr, um mit Dolasillas Söhnen herumzuziehen, also bedrängte ihn erneut die Furcht, ihm faule etwas ab.
»Du hast Herrn Matthew versprochen, mir Frieden zu lassen«, ermahnte Magdalene ihn streng. »Du kannst doch nicht einem Mann gegenüber dein Wort brechen, der so gut zu dir gewesen ist. Außerdem willst du nicht, dass er zurückkommt und ihn dir abschlägt, oder?«
»Aber was soll ich denn tun?«, jammerte Timothy.
Magdalene seufzte und zeigte ihm, was andere Männer taten, aber es war wie mit Eisenkraut und Koriander: Bei ihm half es nicht.
»Ich bin doch nicht wild darauf, dass mich was kratzt, wenn’s mich juckt«, sagte er. »Ich bin wild nach Frauen, Lenchen, und du hast diesen wilden Hengst aus mir erst gemacht.«
Mit Müh und Not gelang es ihr, ihm mit Hand und Mund ein wenig Erleichterung zu verschaffen, aber lange hielt es nicht vor. »Was soll nur werden, Lenchen?«, bedrängte er sie wieder. »Es gibt ja nichts, das mir hilft.«
»Ich glaube, Arbeit würde dir helfen«, sagte Magdalene. »Wenn du für ein Haus zu sorgen hättest und für Pferde und Felder wie bei den Mönchen, wärst du wenigstens manchmal müde.«
Timothy gab ihr recht. Er wolle ein Haus für sie haben und für sie sorgen, beteuerte er, und gewiss wäre alles dann besser. »Aber wie sollen wir unseren Hausstand denn gründen, wenn dein Herr Matthew nicht wiederkommt und uns nach Fountains Abbey bringt? Solange er nicht da ist, bleibt alles eine Krux.«
Darin stimmte Magdalene ihm zu. Wäre Herr Matthew hier gewesen, wäre die Amsel nicht fortgegangen, dessen war sie sicher. Magdalene verstand von vielem nichts, aber von der Liebe mehr als die meisten, weil sie die Liebe beobachtete, statt über sie nachzudenken. Und wenn die Amsel hundertmal Herrn Matthew nicht lieben wollte, weil sie das Wappen auf seinem Schild nicht mochte, es half ihr nichts. So wie nichts Timothy half.
Magdalene war sicher: Wo immer die Amsel war und wo immer Herr Matthew war, sie waren beide krank, weil sie nicht beieinander waren.
Eine weitere Sorge bereitete ihr Hugh. Solange ihr Herr Matthew dagewesen war, hatte Hugh sich auch ohne Zunge verständigen können, weil Herr Matthew seine Gedanken las. Was, wenn er jetzt Zahnschmerzen hatte oder eine Last auf der Seele? Er würde es niemandem sagen können – er war erst jetzt wirklich stumm. Magdalene fiel auf, dass er noch mehr trank als sonst, und fürchtete um seine Gesundheit. Bei Gilles hatte sie jemanden, der unentwegt getrunken hatte, vom Stuhl kippen und sterben sehen.
In der Nacht stellte sie sich vor, wie Herr Matthew zurückkam und seinen kleinen Trupp, der doch seine Familie war, zugrunde gerichtet vorfand: seine Amsel fort, seine Mag noch immer krank, Timothy halb verfault und Hugh tot. Das durfte nicht geschehen! Die Amsel hatte auf sie alle aufgepasst, und da die Amsel es nicht länger konnte, musste Magdalene es nun tun.
Am nächsten Morgen setzte sie sich zu Hugh in die Schankstube, nahm ihm den Alekrug weg und schüttete ihn auf den Dielen aus. Dann wandte sie sich zu Tom, der hinter der Theke stand: »Seid mir nicht böse. Es tut mir leid um das feine Ale, mit dem Dolasilla sich so viel Mühe macht. Aber ich muss mit Hugh sprechen, und das kann ich nicht, wenn in seinem Kopf Überschwemmung herrscht.«
Tom verzog den Mund zu einem Grinsen. »Du wirst es schon richtig machen, kleine Magdalene.«
»Hör zu«, sagte sie zu Hugh. »Ich weiß, dass unser Herr Matthew deine Gedanken lesen konnte, aber er hat jetzt anderswo zu tun, und von uns kann es keiner. Also müssen wir
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