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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Erlösers«, antwortete er tonlos. »Behaupte nicht, du hättest noch nie davon gehört.«
    Er wartete, aber ihr fiel nichts ein, das sie darauf hätte erwidern können. Natürlich hatte sie davon gehört. Es war eine dieser Behauptungen, die man hinnahm, ohne sich auch nur daran zu stoßen, wie irrsinnig sie waren. Dass Vyves »euer Erlöser« gesagt hatte, war ihr nicht entgangen. Und dass ihr Magen sich zusammenzog, seit vom Wechsel des Glaubens die Rede war, erst recht nicht.
    Er schien es zu bemerken. »Vergiss es«, sagte er. »Jetzt ist nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Versuch, ein bisschen froh zu sein, Liebes. Dem König ist daran gelegen, London unter seine Knute zu zwingen, er hat vorerst keine Zeit, sich um uns zu scheren. Uns steht ein friedlicher Winter bevor, und dank eurer wundervollen Arbeit haben wir sogar ein wenig Geld, um zu Chanukka aufzutischen.«
    Sie streichelte seine Hand und zwang sich zu lächeln. Wann die Zeit kommen würde, darüber nachzudenken, wollte sie sich nicht fragen.
    Chanukka, die Feier zum Gedenken an den Tempel in Jerusalem, war ein fröhliches Fest, das acht Abende lang im Kreis der Familie gefeiert wurde. Die Kinder erhielten Geschenke, und die Frauen machten sich mit Feuereifer daran, allerlei Köstlichkeiten herbeizuschaffen, die in Öl gebacken werden würden. Es war, als sei die Familie aus einer Starre erwacht. Esther war entschlossen, Deborah und Miriam auf den Markt zu begleiten, und sie bestand darauf, dass auch Amicia mitkam.
    Es war eine schöne Abwechslung. Schnee lag und hüllte die Häuser des Viertels in ein funkelndes Gewand. Die vier verschleierten Frauen gingen wie Freundinnen dicht beieinander, schwatzten und kicherten, und das Bild des Markttreibens mit seinen bunten Waren tat den Augen wohl. Dennoch beschlich Amicia Beklommenheit, sobald sie in das Getümmel eingetaucht waren. Wie eine kalte Hand saß ihr Argwohn im Nacken und ließ sich durch keine Ablenkung vertreiben.
    Dass sie ab und an von Passanten angerempelt wurde, war unvermeidlich. Dennoch erschrak sie bis ins Mark, als ein Mann ihre Schulter streifte, als sie ein wenig abseits auf die anderen Frauen wartete. Für Augenblicke wurde ihr so schwindlig und trübe vor Augen wie in der Zeit ohne Erinnerung. Der Mann trug weder einen Judenhut noch einen gelben Flecken an seinem Tabard, der für einen Marktbesuch überdies viel zu elegant wirkte. Wie in ihren dunkelsten Träumen glaubte sie einen Drachen zu sehen, dem Funken aus dem Maul sprühten. Ein Schrei entfuhr ihr.
    Deborah drehte sich um und streckte beschützend den Arm aus. Als Amicia zur Seite blickte, war der Mann verschwunden.
    Einen Wimpernschlag später entflohen die vier Frauen mit ihrer Ausbeute dem Gedränge und blieben an der nächsten Häuserecke stehen. »Was war denn los?«, fragte Esther.
    »Ach – nichts«, murmelte Amicia lahm. »Mir ist ein wenig schwindlig geworden, weil ich so viele Menschen nicht gewohnt bin, aber jetzt ist alles wieder im Lot.«
    »Adonai sei gedankt!«, freute sich die unbefangene Esther. »Dann lasst mich euch noch einmal das Pferdchen zeigen, das ich für Noya gekauft habe. Sie wird sich so sehr freuen – und für Gideon habe ich auch ein Geschenk!«
    »Zeig uns das für Gideon«, forderte Miriam, aber Esther schüttelte den Kopf, lachte und hüpfte ihnen die Straße entlang voraus, dass der Schnee wirbelte. Sie war wahrhaftig wieder gesund.
    Miriam folgte ihr, doch Deborah blieb mit Amicia zurück und musterte sie skeptisch. »Du hast jemanden erkannt, nicht wahr? Jemanden aus deiner Vergangenheit.«
    »Weshalb glaubst du das?«
    »Weil der Mann ein Ritter und ein Christ war«, erwiderte Deborah nüchtern. »Was soll der auf unserem Wochenmarkt?«
    »Sag es nicht Vyves«, bat Amicia hastig.
    »Und warum nicht? Wer ist der Mann? Warst du mit ihm verlobt?«
    Amicia schüttelte den Kopf. »Ich kenne ihn gar nicht. Ich weiß nicht, wer er ist und was er von mir will – und vielleicht bilde ich mir das alles ohnehin nur ein, weil ich zu wenig zu tun habe und zu viel Zeit zum Grübeln.«
    Deborah nahm sie am Arm und führte sie mit zwei Schritten Abstand hinter den anderen her. »Du bildest dir nichts ein. Und du siehst den Mann auch nicht zum ersten Mal, richtig?«
    »Nein. Doch. Ich weiß es wirklich nicht, Deborah. Ich habe diesen Mann nie zuvor gesehen, aber einen mit demselben Wappen und …« Sie stockte. Etwas an dem, was sie gerade ausgesprochen hatte, schnürte ihr die Kehle zu.
    »Und

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