Kains Erben
Europa über England lachte.«
»Und all das haben Juden, Waliser und mit Obst schmeißende Kinder angezettelt?« Amicia wünschte sich innig, den König König sein zu lassen und stattdessen dem Mann in ihren Armen gehörig den Kopf zu verdrehen, aber etwas in ihr ließ nicht locker.
»König Edward hat aus der Katastrophe seiner Kindheit gelernt«, erwiderte Matthew. »Er zeigt Stärke an allen Fronten, damit niemand auch nur auf den Gedanken kommt, an einer Herrschaft zu rütteln, die gottgewollt und unumstößlich ist.«
Einige Augenblicke lang überlegte Amicia. Matthew löste sich von ihr und setzte sich auf. »Ich habe dich gewarnt!«, rief er mit dem Trotz, der sich in seine Stimme stahl, sobald er fürchtete, verletzt zu werden. »Ich kann kein anderer sein, als ich bin, und du kannst mit dem, der ich bin, nicht leben.«
»So schnell gibst du auf?
»Soll ich vielleicht darum betteln, von dir nicht verachtet zu werden? Oder soll ich um deinetwillen meinen König verraten?«
»Es ist sonderbar«, murmelte Amicia. »Wenn du mir von weißen Bären in der Themse erzählst oder von rotem Wein aus dem Alpenland, dann höre ich den, der du bist. Den habe ich lieb, Matthew, und mit dem zu leben wird mir das Torhaus zum Himmel sein. Wenn du dagegen von deinem König sprichst, höre ich einen gelehrigen Jungen, der etwas auswendig gelernt hat und es als Mann noch immer brav wiederholt. Nein, fahr nicht auf und schrei mich nicht nieder, ich habe dir nur sagen wollen, wie es mir erscheint. Gewiss bilde ich es mir ein, und letzten Endes bin ich nur eine Frau. Vielleicht gebe ich dir gelegentlich Saures, aber ich werde mit allem leben können, was du für uns entscheidest.«
Seine Skepsis war selbst im Dunkeln nicht zu übersehen. »Komm wieder zu mir, Matthew«, sagte Amicia leise. »Warum sollen wir die Ersteigung eines Berges für unmöglich erklären, ehe wir es versucht haben?«
»Weil du das zauberhafteste Wesen auf der Welt bist«, sagte er und nahm ihre Hand. »Weil du nicht auf Berge klettern, sondern durch Ebenen getragen werden solltest. Und weil es unverzeihlich wäre, wenn ein hirnloser Tölpel sich an dir festkrallen und dich mit sich in einen Abgrund reißen würde.«
Amicia lachte, setzte sich zu ihm und umarmte seine bloßen Schultern. »Hilft es, wenn ich es dir noch einmal sage, mein hirnloser Tölpel? Ich liebe dich. Sollten wir beide zusammen in irgendeinen Abgrund plumpsen, wäre ich immer noch froh, nicht ohne dich zu sein.«
Er neigte den Kopf und küsste ihr Gesicht. »Ich stehe so tief in deiner Schuld, dass ich es in hundert Jahren nicht ausgleichen könnte. Kannst du auch damit leben? Und gibst du dem Teufel, dem du den kleinen Finger hinhalten wolltest, auch noch die andere Hand?«
Sie gab sie ihm. »Du bist kein Teufel, Matthew. Was immer du getan hast.«
Sein Blick traf ihren. »Ich habe etwas Furchtbares getan, Amicia. Etwas, das Teufel tun und keine Menschen. Und das ist die dritte Bedingung: Wirst du es aushalten, mich nie danach zu fragen? Mir zu erlauben, es dir zu verschweigen, damit ich dich nicht belügen muss?«
Amicias Herz zog sich zusammen. »Ich würde dich unendlich gern danach fragen«, sagte sie. »Weil es mir wehtut, wie du dich quälst. Ich würde unendlich gern deine armen Schultern von dieser Last erlösen, und ich bin sicher, dass nichts, das du getan haben könntest, teuflisch genug ist, um mich von dir zu trennen …«
»Doch, das ist es«, fiel er ihr ins Wort. »Es ist so teuflisch, dass du dich schämen würdest, je mit mir gesprochen zu haben.«
»Du Aufschneider«, murmelte sie ein wenig traurig, drückte seinen Kopf auf ihre Schulter und liebkoste seinen Nacken. »Du Möchtegernteufel in meinen Armen. Ja, wenn es dir solche Angst macht, verspreche ich, dich nicht zu fragen.«
»Und einen Mann als deinen zu nehmen, den du nicht kennst?«
»Das tun die meisten Mädchen, oder nicht?« Sie hängte sich schwer an seinen Hals und zwang ihn, sich mit ihr niederzulegen. »Vielleicht geht es mir mit dir so wie dir mit dem Hund und dem weißen Bären: Ich habe dich wissen lassen, dass ich dir nichts Böses will, und ich bin sicher, du wirst mir kein Leid antun.«
Er beugte sich zu ihr und küsste ihr Herz. »Gott stehe dir bei, wenn ich es tue«, flüsterte er. »Ich liebe dich. Bitte hör nicht auf, mir das zu glauben, was immer auch geschieht.«
Amicia sollte keinen Grund erhalten, es ihm nicht zu glauben, denn fortan setzte er alles
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