Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
Vom Netzwerk:
Camoys und sich selbst.
    Als sie im Hafen von Yarmouth ihre Pferde zügelten, war das einzige Schiff, das dort vor Anker lag, bereit zum Auslaufen. Isabel blieb im Sattel sitzen und tat, was sie sich gewünscht hatte: Sie sah zu, wie ein Mann nach dem anderen an Bord ging – sechs voll gerüstete Ritter und sechs Schildknappen. Matthew de Camoys, der nicht einmal einen ausgebildeten Diener bei sich hatte, stand auf verlorenem Posten.
    Adam beaufsichtigte die Verschiffung der Pferde. Er war schön, bemerkte Isabel jäh. Auch wenn er alt geworden war. Noch einmal blickten sie beide in dieselbe Richtung, auf ein gemeinsames Ziel, und ein letztes, erstickendes Flämmchen des alten Feuers flackerte wieder auf. Vielleicht war dies die Reise, von der er nicht zurückkommen würde, vielleicht ging er diesmal seinen Häschern, die ihn kreuz und quer durchs Land gejagt hatten, in die Falle. Aber zuvor würde er einen Weg finden, ihr den Gefangenen zu senden, und sie würde es für sie beide zu Ende bringen, selbst wenn er es nicht mehr konnte.
    Unser letzter Akt der Liebe, Adam. Passt ein Mord nicht besser zu uns als jeder Kuss?
    Das Geräusch von Schritten ließ sie herumfahren. Vom Zollhaus, in dem auch Nachrichten vom Festland eintrafen, eilte ein Mann auf die Rampe des Schiffes zu. Es war einer von Adams Kundschaftern, er lief geradewegs auf Adam zu und wisperte ihm einen Schwall Worte ins Ohr. Zwischen beiden entspann sich eine hastige, geflüsterte Beratung. Dann winkte Adam einen der Schiffsjungen heran und übergab ihm die Aufsicht über den Pferdetransport. Mit wehendem Mantel kam er zu Isabel. »Ich glaube, wir sollten unsere Pläne ändern.«
    »Warum?«
    »Geoff meint, es wäre klug, nicht sofort nach Norden, sondern erst nach Winchester zu reiten. Wenn dieser Apfel nicht allzu weit vom Stamm gefallen ist, wird Matthew beim König lieb Kind machen wollen, und wo könnte er das besser als auf einem Turnier? Darauf versteht sich seine Sippe schließlich – aufs Hauen und Stechen.«
    »Du hoffst, ihn in Winchester zu stellen statt auf dem offenen Land? Aber dort ist halb England versammelt, und außerdem kannst du nicht sicher sein, dass er kommt.«
    »Dafür müsste man eben sorgen.« Adam schürzte vielsagend die Lippen. »Und stellen will ich ihn, wo immer er mir nicht entkommen kann. Wenn ich mich in Winchester an seine Fersen hefte, kann ich in aller Seelenruhe auf die beste Gelegenheit warten.«
    »Und wenn dem König bei deinem Anblick einfällt, dass er Tonnen von Beweisen gegen dich hat? Ich dachte, wir wären uns einig, dass ich dir Nachricht sende, wenn er von hier wieder fort ist, damit du ihm nicht samt Matthew in die Arme läufst.«
    »Dabei bleibt es ja auch«, beschwichtigte Adam sie. »Und sei versichert, mich bekommt in Winchester kein König und kein Camoys zu Gesicht. Ich will einfach auf Nummer sicher gehen, Schönste – Zeit haben, mir seinen Tross anzusehen und eine Falle zu bauen, die im rechten Augenblick zuschnappt. Ich will nichts dem Zufall überlassen, verstehst du?«
    Isabel verstand. »Tu, was du für richtig hältst, aber vergiss nicht, dass ich mich auf dich verlasse.«
    »Niemals.« Er berührte ihr Knie. »Isabel?«
    »Ein Geständnis?«, fragte sie. Es scherte sie nicht. Wenn er ihr nach all den Jahren seine Hurereien beichten wollte, sollte er damit selig werden, solange er ihr Matthew de Camoys brachte.
    Adam nickte. »Diesmal will ich nicht gehen, ohne dass du es weißt: Dein Buch, das du überall gesucht hast … dein Buch von Baldwyn – ich habe es genommen.«
    Ein Laut entfuhr ihr. Das Leben des Becket , Baldwyns Geschenk an sie, das Letzte, was seine Hände in ihre gelegt hatten. Sie hatte den Verlust des Buches mehr als einen Menschen betrauert und sich geschworen, den Dieb hängen zu lassen, wenn sie ihn erwischte.
    »Ich habe nicht mehr ertragen, wie du es verherrlicht hast«, murmelte Adam und senkte den Kopf. »Baldwyn war immer alles für dich und ich der stinkende Pferdeknecht, der an Baldwyns heiliges Buch nicht seine dreckigen Finger legen durfte. Irgendwann ist es mit mir durchgegangen, ich habe es an mich genommen und bin losgerannt, um es in den Fluss zu werfen.«
    »Warum nicht in den Brunnen?«, rief sie schrill.
    Er blickte auf. »Ich habe es nirgendwo hingeworfen«, sagte er gepresst, doch ohne ihr auszuweichen. »Deine Liebe zu Baldwyn steckte in dem Buch, diese Liebe, auf die ich immer neidisch war und die ich immer glühend bewundert habe. Ich habe

Weitere Kostenlose Bücher