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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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es nicht fertiggebracht, es zu zerstören, also habe ich es zu Randulph getragen und ihn gebeten, es für sie aufzubewahren.«
    »Für wen?«
    »Für das Mädchen«, sagte Adam und küsste ihr Knie. »Verzeihst du mir?«
    »Bring mir Matthew de Camoys.«
    Mit sardonischem Grinsen verneigte er sich. »Euer Wunsch ist mir Befehl, meine Herrin der Insel. Mein Herz bleibt bei Euch, wohin es mich auch verschlägt.«

30
    S
o war es auf all ihren Reisen gewesen: Kaum waren sie aufgebrochen, gab es Grund, einen Umweg zu nehmen, und allmählich gelangte Magdalene zu der Überzeugung, dass sie die Ankunft in Yorkshire nicht zu fürchten brauchte, weil sie nie dorthin gelangen würden. Stattdessen würden sie immer weiter durchs Land ziehen, sie in ihrem Königinnenwagen mit dem schwatzenden Timothy zur Rechten, zur Linken neuerdings Stephen, dessen Frohnatur ansteckte, und hinterdrein Hugh, der trotz müder Beine gesund aussah.
    Dabei habe ich ihm geholfen, dachte Magdalene ein bisschen stolz. Es machte sie glücklich, den anderen etwas zu geben. Sie waren ihre Familie, und sie bekam von ihnen mehr, als sie mit zwei Armen umfassen konnte.
    Die, denen sie am meisten hätte geben wollen, ritten voraus. Herr Matthew und seine Amsel. Magdalene hatte nie gelernt, richtig zu beten, nur in der Sprache des Tatzelwurm-Tals, die Gott womöglich nicht verstand. Sie hatte Timothy gebeten, es ihr zu zeigen, aber Timothy mochte vom Beten nie sprechen. Also betete Magdalene, wie es ihr einfiel, um Gott zu danken, dass die Amsel zurückgekommen war und ihr Herr Matthew wieder glücklich war. In Gilles’ Frauenhaus waren Ritter getorkelt, die das Visier des Helms noch vor dem Gesicht trugen, und Magdalene hatte oft gedacht, dass es doch wehtun müsse, das Gesicht in eine so enge Maske zu pressen. Dann war Herr Matthew gekommen, schön und schutzlos, mit dem Helm unter dem Arm, und Magdalene hatte gedacht: Dieser arme Mann braucht keinen Helm, der sein Gesicht in eine Maske presst, damit es ihm unendlich wehtut.
    Jetzt war die Maske fort. Von unten sah Magdalene, wie Matthew still zu Pferd saß und ein Lächeln sich in seine Wangen stahl. Sie hätte jauchzen wollen. Der Amsel wuchs das Haar, und in ihre trüben Augen trat Glanz. Sie ritt auf dem kleinen Pferdchen an Althaimenes’ Seite, und von Zeit zu Zeit hob sie die Hand und streichelte Herrn Matthews Schenkel. Dann nahm er eine Hand vom Zügel, gab sie ihr und ritt Hand in Hand mit ihr weiter.
    Das anzusehen tat so wohl, dass Magdalenes Brust sich mit Wärme füllte wie in der Kapelle, als sie den Leib des Herrn empfangen hatte. Selbst wenn sie nie wieder gesund werden würde: Es ging ihr jetzt so rundherum gut, es konnte keiner Prinzessin besser gehen. Es ging ihnen allen gut. Nur Timothy klagte, aber das nahm Magdalene nicht länger ernst, denn Stephen, der das ewige Gejammer mitanhören musste, hatte ihr erklärt: »Dem fault nichts ab. Dem schwillt’s nur, und wenn daran einer sterben würde, gäb’s auf der Welt nur noch Frauen.«
    Darauf verwies ihn Magdalene, wenn er auf Gedeih und Verderben keine Ruhe gab: »Vom Schwellen stirbst du nicht, hörst du? Ich hab im Frauenhaus halb England schwellen sehen, und was immer die Geschwollenen auch angestellt haben, gestorben sind sie nicht.«
    »Aber weh tut’s!«, entrüstete sich Timothy. »Deinen Herrn Matthew höre ich nächtens stöhnen vor Schmerz, und dann kommt flugs sein Amselchen und verschafft ihm Linderung.«
    Magdalene sah hinüber zu Herrn Matthew, der das Gepäck in den Schober schleppte, in dem sie über Nacht bleiben würden, und dann auf Timothy. »Herr Matthew hat mehr, das schwillt«, sagte sie. »Wer weiß, ob es bei dem nicht doch gefährlich ist, aber bei dir ganz sicher nicht.«
    Er jammerte ein bisschen, dass sie ihn, wenn sie ihm schon nicht helfen wollte, nicht auch noch beleidigen müsse, aber auch darüber zerbrach sich Magdalene nicht den Kopf. Sie hatte gelernt, dass er eben ein Mensch war, der sich nicht wohlfühlte, wenn er nichts zu jammern hatte, so wie sie sich nicht wohlgefühlt hätte, hätte sie niemanden zum Lieben gehabt. Alles war im Lot. Sie würden ewig weiterziehen, und wenn sie doch eines Tages ankämen, würden sie beieinander wohnen – die Amsel und Herr Matthew in einem prächtigen Haus, und Magdalene, Timothy, Stephen und Hugh drumherum in Hütten für Dienstboten.
    Zu dem Umweg kam es, weil ihnen eine Gruppe Ritter begegnete, die nicht nach Norden, sondern nach Süden zog. Seit dem

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