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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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solange zwei christliche Herrscher sich in den Krieg miteinander verbissen, hatten Englands Kreuzzugspläne wenig Aussicht auf Erfolg.
    Dann stürzte Matthew eines Nachts in Kleidern, die sich für einen Edelmann ziemten, und mit ordentlich gekämmtem Haar in ihr Zelt, sank vor ihrem Bett auf ein Knie und sagte: »Ich habe mit dem König gesprochen, Amicia. Wenn ich meine Entlassung aus Yorkshire erhalte, ist er bereit, mich in seinen Haushalt aufzunehmen. Und wenn du mir erlaubst, über deine Herkunft ein paar Lügen zu erzählen, könnten wir nach unserer Rückkehr aus Yorkshire heiraten.« Verlegen senkte er den Kopf. »Natürlich nur, wenn dir noch immer nichts Besseres eingefallen ist.«
    Amicia war im Licht des Talglichts schon halb eingeschlafen und tauchte in müde, traumumflorte Seligkeit. Sie zog ihn näher und lehnte sich an seine Schulter. »Ach, mein Liebster, mein Meister der dummen Gedanken. Nein, mir ist noch immer nichts Besseres eingefallen, und über meine Herkunft erzähl von mir aus, ich sei aus einem Ei gekrochen und aus dem Nest gefallen. Heiraten will ich dich so oder so.«
    »Und das, was du nicht weißt …«
    »Das weiß ich eben nicht. Dafür weiß ich, dass du die behaglichste rechte Schulter der Welt hast. Müssen wir noch lange hierbleiben, Matthew? Können wir nicht bald nach Yorkshire reisen und umso schneller wieder zurück sein?«
    »Wir reisen morgen. Auch wenn die anderen greinen werden, weil ihnen die bequemen Zelte, das gute Essen und der Trubel nachgerade zur Gewohnheit geworden sind. Am liebsten ließe ich sie alle hier, nur Stephen nicht, weil der mir helfen kann, dich zu beschützen.«
    »Ach was«, murmelte Amicia, »die anderen kleben wie Kletten an dir, die kannst du nirgendwo lassen. Und Stephen ist ein liebenswerter Bursche, aber mich braucht niemand zu beschützen. Worin immer diese obskure Gefahr auch bestand, ich glaube, sie hat sich in Luft aufgelöst.«
    »Vielleicht hast du recht«, sagte er und ließ sich von ihr auf das Bett ziehen.
    Amicia schloss die Augen. Es war unmöglich, sich Gefahren überhaupt noch vorzustellen. Sie lagen in ihrem Zelt, das sie mit niemandem teilten, sie hatten es warm, waren müde und verliebt und würden morgen aufbrechen, um sich den Weg in ihr gemeinsames Leben zu ebnen.
    Verglichen mit dem Schleppschritt ihrer bisherigen Reisen kamen sie glänzend voran. Magdalene schlug vor, der alte Hugh solle mit ihr im Karren fahren, und als er sich ihrer vereinten Überredungskünste zum Trotz weigerte, packte ihn Matthew kurzerhand um die Taille und hob ihn hinauf. Einen Augenblick lang bemerkte Amicia eine Vertrautheit zwischen ihnen, die sie berührte. Und tatsächlich fügte sich Hugh ohne Federlesens und blieb sitzen. Magdalene zog eine eigenartige graue Masse aus der Schürze, gab ihm die Hälfte davon ab, und schon bald waren sie miteinander in ein Spiel vertieft, das offenbar nur ihnen beiden bekannt war.
    Sein Gesicht wirkt nicht mehr so aufgeschwemmt, dachte Amicia. Dieses Mädchen ist ein Wunder. Magdalene sollte in ein Infirmarium gehen, sie macht Menschen gesund, und wer kann das schon? Würde Magdalene, wenn sie erst irgendwo sesshaft wurden und nicht mehr reisen mussten, ihre eigene Gesundheit wiedererlangen? Amicia beschloss, in jeder Kirche auf dem Weg dafür zu beten, doch auch krank blieb Magdalene der zufriedenste Mensch, den sie je gekannt hatte.
    Sogar Timothy klagte weniger als sonst, und der junge Stephen war selig, weil Matthew einem anderen Ritter einen Einhänder abgekauft hatte und ihn unterwegs an der Waffe schulte. »Das vergesse ich Euch nie«, beteuerte er. »Seid gewiss, Ihr habt in mir Euer Leben lang einen Diener, der für Euch durchs Feuer geht.«
    Magdalene hob den Kopf, und Amicia sah, wie beider Blicke sich trafen.
    »Mir wäre es lieber, wenn wir das Feuer austreten könnten, ohne dass einer von uns sich die Füße verbrennt«, beschied ihn Matthew, aber er lächelte dabei. Er lächelte jetzt oft, wenn auch noch immer mit der Spur von Scheu, die Amicia so berückend fand. Er war ein gesunder Mann, der sein Leben genoss, und es war eine Freude, ihm dabei zuzusehen. Seine Handgelenke sah sie am liebsten. Die heile Haut ohne Kratzwunden.
    Um London zogen sie im Bogen herum, sie durchquerten Oxford und schlugen sich dann in Richtung Nottingham. Bisher hatten sie zumeist in Gasthäusern oder Schobern übernachtet, doch jetzt stand ihnen ein weites Stück Weg über freies, leeres Land bevor. Sie schlugen das

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