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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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War es nicht besser, sein Geschlecht dem Untergang preiszugeben, als es in einem solchen Erben fortgesetzt zu wissen? Das Blut von Rebellen, Verrätern und Weichlingen floss in den Adern seines Kindes, und es war Cyprian versagt geblieben, eine Mutter mit der Kraft einer Isabel de Fortibus dagegen aufzubieten.
    Dabei hatte es eine Zeit gegeben, in der das Kind Cyprian glücklich gemacht hatte. Jäh flammten Bilder vor ihm auf, die er auf immer hatte vergessen wollen. Er sah sich Hand in Hand mit dem kleinen Sohn bei den Käfigen der Habichte, hörte sich seinem Jungen die Schönheit der Beizjagd erklären und sah die Kinderaugen, die zu ihm aufblickten, als sei der Vater der klügste Mann der Welt. Er vernahm die neidischen Komplimente, die Gäste ihm gemacht hatten, weil sein Sohn schön und voll Kraft war und einen herrlichen Ritter abgeben würde, einen Helden, der seinem Vater Ehre machte. Wie hatte er all das genossen, mit wie viel Freude hatte er in eine Zukunft geblickt, die sich strahlend vor ihnen erstreckte! Warum nur hatte er Gregory gestattet, ihm den Sohn zu verderben, sodass aus einem prächtigen kleinen Burschen von acht Jahren ein feiger, charakterloser Verräter wurde, an dem jede Erziehung versagte.
    Cyprian hatte mit allen Mitteln gekämpft. Er hatte dem unbotmäßigen Söhnchen Schläge verordnet, die genügt hätten, aus dem Teufel einen windelweichen Bettelmönch zu machen, doch an der verdorbenen Seele seines Kindes zerbarsten Peitsche und Stock. Cyprian hatte dafür gesorgt, dass er mit jeder Züchtigung zugleich entwürdigt wurde, dass die Hiebe auf den Stolz zielten, an dem ein Knabe sich für gewöhnlich packen ließ, aber das von Gregory vergiftete Balg schien keinen Stolz und keine Würde zu besitzen. Zu guter Letzt hatte er ihn Thibault überlassen. »Ich zeige ihm, wie man tötet«, hatte die Natter von einem Ritter geprahlt. »Der Tod ist ein glühendes Eisen, das brennt Verkommenheit aus.«
    Stattdessen war der Sohn, der inzwischen aussah, als könne er mit bloßen Händen Bäume ausreißen, in ein Fieber gefallen wie ein Mädchen, und zum ersten Mal hatte Cyprian gedacht: Dann stirb mir doch! Wäre das verdammte Klosterpack mir nicht dazwischengegangen, hätte ich Isabel de Fortibus geschwängert und könnte dich zum Teufel schicken.
    Der Sohn war nicht gestorben. Er war herangewachsen, und so missraten er sich an manchen Tagen gebärdete, hatte Cyprian begonnen, wieder Hoffnung zu schöpfen. Eines immerhin schien der Kerl von ihm gelernt zu haben: dass ein Ritter seinem König mit Leib und Seele ergeben sein musste, dass jedes Aufbegehren gegen einen König ein Aufbegehren gegen die gottgewollte Ordnung war. Offenbar begriff Matthew dem üblen Einfluss zum Trotz, dass Rebellion und Bürgerkrieg England schwächten und es auf immer unter die nichtswürdigen Nationen verbannten, auf die weder Papst noch Kaiser einen Pfifferling gaben. Noch einen weiteren Grund zur Hoffnung gab es: Wider Erwarten bewährte sich der Weichling trefflich an der Waffe und erlangte mit Leichtigkeit die Ritterwürde, die seinem Vater versagt geblieben war.
    Zum Lohn schenkte Cyprian seinem Sohn den schönsten Jungvogel, den er je für seine Falknerei erworben hatte, eine geborene Jägerin aus orientalischer Zucht. Dass Matthew sie Sham nannte, was Sonne bedeutete, und wie ein alberner Täuberich mit ihr turtelte, missfiel ihm. Aber das Leuchten in seinen Augen hatte ihm nicht missfallen. Es war ein wenig wie das Leuchten in den Augen des kleinen Jungen gewesen, der in seinem Vater nicht einfach einen Mann, sondern beinahe einen Gott gesehen hatte. Etwas zwischen Vater und Sohn lebte wieder auf, etwas, das selbst Gregory nicht hatte zerstören können.
    Und dann war der verdammte Hugh gekommen und hatte die winzige Hoffnung zunichtegemacht. Cyprian würde sich nie vergeben, dass er Hugh behalten hatte – seines Vaters und Gregorys Mann, den Speichellecker zweier Verräter. Er hatte Hugh die Birne des Schmerzes verpasst, der verfluchten Sham den Schädel zerschmettert und sie dem Sohn, der wieder einmal wie ein Mädchen im Fieber lag, zum Dinner serviert. Wie ein Rasender hatte er gewütet, aber den brennenden Schmerz in seinem Herzen hatte nichts von alledem gestillt.
    Als er schließlich gesund wurde, sprach der Sohn weder über Hugh, der spurlos aus Aldfield verschwunden war, noch über den Habicht jemals ein Wort. Er befolgte Befehle, wie es sich für ein Mitglied der Familia gehörte, aber er behandelte

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