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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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von Matthew. Von Matthew, der mit den Mördern gekommen war. Matthew, der ihren Bruder ermordet hatte.
    Dass sie in der Lage war, ein Pferd an seinem Hufschlag zu erkennen, glaubte Amicia nicht, und doch wusste sie, dass es Althaimenes war, der herbeigaloppierte und den Boden erzittern ließ. Althaimenes. Der tragische Held einer griechischen Sage, der seinen Vater ermordet hatte. Weshalb gab ein Mann seinem Pferd den Namen eines Mörders? Warum hatte sie dem Mörder das Versprechen gegeben, nie zu fragen, und selbst den Namen seines Pferdes hingenommen?
    Amicia wollte die Augen schließen, doch sogar ihre Lider versagten ihr den Dienst. Nah und deutlich sah sie ihn wie damals im Brunnenhof, keine Einzelheit blieb ihr erspart: die schönen schwarzen Augen, die hohen Knochen der Wangen, die Lippen, die sie geküsst hatte, ohne je genug zu bekommen. Was sie hingegen nicht sah, sondern allein spürte, war die Masse der Männer, die sich um sie drängten. Von allen Seiten schienen sie herbeizuströmen, sobald sie den Reiter entdeckten. Waffen und Rüstungsteile klirrten, Schreie gellten, Hufe und Sohlen donnerten über den Boden.
    Matthew sprang vom Pferd, ließ die Zügel fahren, wie er es ihr verboten hatte, und zog das Schwert. Sein Schrei übertönte den Kampfeslärm. Gelähmt, gefesselt, und ohne zu begreifen, lag Amicia am Boden, während um sie eine Schlacht tobte. So schnell schlugen die Klingen, so jäh stürzten Leiber übereinander, dass sie keine Einzelheiten ausmachen konnte, sondern nur wieder und wieder Matthews Gesicht sah. Einer der Männer, den er totschlug, fiel auf ihre Mitte nieder, doch ehe er sie berührte, riss Matthew ihn hoch und warf ihn weg. Der Krach war ohrenbetäubend. Wer den Sieg davontrug, war ihr einerlei, nur eines wollte sie nicht: überleben. Bringt mich doch auch um, wollte sie schreien, wer auch immer von euch es tun möge, bringt mich doch endlich um!
    Vor dreizehn Jahren im Burghof hatte es das Sackleinen gegeben, einen Schmerzensschrei und die gnädige Ohnmacht. Heute drängten sich die Einzelbilder in quälender Klarheit auf. Der Schimmelreiter. Weiß und schwarz hinter Matthews Kopf, als dieser niederkniete und hektisch begann, ihr die Fesseln zu lösen. Alles an ihm – das von keinem Helm bedeckte Haar, das Gesicht, die Arme – war von Blut überströmt.
    »Rühr mich nicht an!«, schrie Amicia. Endlich entrang sich ihrer Kehle ein Ton. »Du hast meinen Bruder getötet! Rühr mich nie wieder an!«
    Matthew wich zurück. Mit einem dumpfen Laut fiel sein Schwert zu Boden. Er blieb auf den Knien liegen, wehrlos wie Becket vor dem Altar, wie ein Kind auf dem Brunnenrand. Hinter ihm ragte der Kopf des Schimmels auf. Noch im Lauf sprang der Reiter ab und hob das riesige Schwert.
    Was danach geschah, würde sich nie wieder in die richtige Reihenfolge ordnen lassen. Der gebeugte Mann, der vom Schimmel gesprungen war, holte über seinen Kopf aus, einer der Männer am Boden richtete sich noch einmal auf und hob ebenfalls die Waffe, und aus irgendeiner Richtung drangen noch mehr Hufschläge an Amicias Ohr. Doch das war nichts gegen den Laut, mit dem ein winziges Geschöpf wie ein Pfeil von der Sehne schnellte, dem Schimmelreiter an den Hals sprang und ihn zu Boden warf.
    Sie alle schrien gleichzeitig auf, der gebeugte Reiter, Matthew und Amicia, und in ihr Geschrei drang noch das Gebell des Hundes, der mit riesigem Satz hinzustürzte.
    Das Schwert des Schimmelreiters traf zuerst auf Fleisch. Das kleine Geschöpf, das sich auf den übermächtigen Angreifer gestürzt hatte, um seinen Herrn Matthew und seine Amsel zu schützen, war so leicht zu töten wie ein Insekt. Das Schwert bohrte sich ihm in die Brust, die klammernden Hände lösten sich, und das Körperchen, in dem ohnehin nur noch so wenig Blut war, sackte hinunter. Einen Augenblick lang war es, als hielte das Getöse den Atem an.
    Dann tobte es weiter, und nur Amicia lag erstarrt am Boden. Die Männer, auf die Matthew wie von Sinnen einschlug, erhielten Verstärkung von weiteren, doch auch die hatten gegen seinen rasenden Zorn nichts aufzubieten. Einem hieb er den Hals durch, dass der Kopf zur Seite kippte. Amicia sah es, doch es machte ihr nichts aus. Der Schimmelreiter lag längst von dem Hund bewacht am Boden, und gleich darauf fiel ein dritter Mann, auf den Matthew einhieb, bis sein Leib in Fetzen lag. Dann schwang er herum und sah Stephen, der seinen Einhänder verloren und eine Wunde am Bein davongetragen hatte, auf sich

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